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Für den Mann enger genäht Mythos oder Realität nach der Geburt? Was hinter dem „Husband Stitch“ steckt

Der Begriff „Husband Stitch“ klingt harmlos, doch die Praxis wäre alles andere als das. Gynäkologen sprechen dabei auch von Gewalt und Körperverletzung im Kreißsaal.

Von Isabell Wohlfarth/dpa/DUR Aktualisiert: 27.11.2025, 16:47
Der sogenannte „Husband Stitch“ sorgt seit Jahren für Diskussionen.
Der sogenannte „Husband Stitch“ sorgt seit Jahren für Diskussionen. (Symbolfoto: Imago/Funke Foto Services)

Magdeburg/Halle (Saale) - Immer wieder berichten Frauen von einer umstrittenen Praxis nach der Geburt: dem sogenannten „Husband Stitch“. So soll es vorkommen, dass Gynäkologen beim Nähen von Geburtsverletzungen die Vaginalöffnung enger verschließen. Das passiert ohne das Wissen der Betroffenen, jedoch meistens auf Wunsch des Partners. Ziel sei es, das sexuelle Empfinden nach der Geburt unverändert zu halten.

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Auch in der deutschen Comedy-Serie "jerks." wurde bereits 2020 das Thema aufgegriffen und sorgte im Internet für Diskussionen.

"Husband Stitch": In den 1980er nach der Geburt häufiger verbreitet als heute

Dass ein Vater kurz nach der Geburt an seine eigene sexuelle Befriedigung denkt, wirkt zunächst schwer vorstellbar und auf vielen Ebenen verstörend. Schließlich gibt es in diesem Moment kaum etwas Unwichtigeres, als wenn man gerade das Neugeborene im Arm hält.

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Besonders problematisch ist jedoch, dass die Frau nach den enormen körperlichen Anstrengungen der Geburt auf ein Objekt reduziert wird, das für den Mann „funktionieren“ soll. Doch kommt der sogenannte „Husband Stitch“ tatsächlich in deutschen Kreißsälen vor? „Ja, das gibt es auch heute noch“, sagt Ursula Jahn-Zöhrens vom Deutschen Hebammenverband.

„Aber ich habe nicht den Eindruck, dass es häufig vorkommt.“ In den 1980er-Jahren sei die Situation anders gewesen: „Damals gab es Gynäkologen, die das häufiger gemacht haben. Ich glaube sogar, dass das eher von den Ärzten ausging als von den Vätern.“

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Hebamme behauptet: Ärzte kommen der Bitte nach dem "Husband Stitch" nicht nach

Eine andere Hebamme, die anonym bleiben möchte, berichtet eher davon, dass es auf der Geburtstation immer wieder passiere, dass Väter die Ärzte bitten würden, die Frauen enger zu nähen. 

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Auch behauptet sie, dass sich Männer dafür interessieren, wie der Arzt nach der Entbindung die Vagina der Frau behandelt, einige kommentieren dies laut ihrer Aussage zudem. Die Hebamme betont aber auch, dass die Ärzte die Bitten der Väter nicht nachkommen würden.

Frauenarzt erklärt: "Husband Stitch" ist Körperverletzung an Frau

Ob das auch für alle deutsche Kliniken gilt, lässt sich nicht belegen. Erfahrungsberichte, die unter anderem auch auf TikTok geteilt werden, deuten jedoch darauf hin, dass es zumindest eine Dunkelziffer geben könnte.

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Fest steht: Wenn Ärzte den „Husband Stitch“ anwenden, handelt es sich streng genommen um einen kriminellen Akt. „Jede Operation ohne Einwilligung eines Patienten oder einer Patientin ist eine rechtswidrige Körperverletzung“, erklärt Frauenarzt Dr. med. Christian Albring. „Ärzte, die solche Eingriffe durchführen, würden sich strafbar machen und ihre Approbation verlieren.“

Auch Väter, die einen solchen Eingriff fordern, überschreiten demnach eine gravierende Grenze. „Ein Partner, der ohne Einwilligung seiner Partnerin von einem Arzt nach der Geburt ein Engernähen der Vagina verlangt“, so Albring, „nimmt nicht nur in Kauf, dass seine Partnerin künftig beim Geschlechtsverkehr unter Schmerzen leidet, sondern verletzt ihr Recht auf Selbstbestimmung und übt körperliche Gewalt aus.“

Rund um die Geburt sind viele Mythen im Umlauf

Dass sich Paare Gedanken darüber machen, wie sich ihr Sexualleben nach der Geburt verändert, sei grundsätzlich nachvollziehbar, sagt Ursula Jahn-Zöhrens. Allerdings kursierten noch immer viele Klischees, etwa der Mythos, die Scheide „leiere“ durch eine Geburt aus.

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Zwar könnten Geburtsverletzungen Einfluss auf das Sexualleben haben, doch das sei sehr individuell. Positiv sei, dass heute generell mehr über die körperlichen Veränderungen rund um die Geburt gesprochen werde. „Das Wohl der Mütter sollte dabei immer im Vordergrund stehen“, betont Jahn-Zöhrens.