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Sexueller Missbrauch „Taschengeld-Treffen“: Das steckt hinter dubiosen Anzeigen

Zwischen Babysitter-Inseraten lauern Codes wie „TG-T“. Was das ist, warum diese Masche so perfide ist, welche Risiken drohen – und wie Erwachsene Kinder jetzt besser schützen können.

Von Claudia Wittke-Gaida, dpa 27.11.2025, 17:02
Online-Anzeigen mit dem Kürzel „TG-T“ locken Minderjährige in gefährliche Situationen: Hinter harmlos wirkenden Angeboten verbergen sich sexuelle Ausbeutung und Missbrauch.
Online-Anzeigen mit dem Kürzel „TG-T“ locken Minderjährige in gefährliche Situationen: Hinter harmlos wirkenden Angeboten verbergen sich sexuelle Ausbeutung und Missbrauch. Elisa Schu/dpa/dpa-tmn

Düsseldorf/Berlin - Sich Taschengeld hinzuzuverdienen, klingt für Kinder oder junge Teenager immer verlockend. Das wissen auch Missbrauchs-Täter. Zwischen „Babysitter gesucht“ oder „Nachhilfe gefragt“ platzieren sie auf Kleinanzeigenportalen Inserate, in denen von „Taschengeld-Treffen“ oder kurz „TG-T“, die Rede ist.

Doch was steckt dahinter? Nichts Geringeres als sexuelle Dienstleistungen gegen Bezahlung. Oder wie es die Polizei strafrechtlich nennt: sexueller Missbrauch Minderjähriger. Vor dem zunehmenden Phänomen warnt das Landeskriminalamt NRW. 

Die Beamten erklären, wie die Masche abläuft: 

Täter - überwiegend Männer, meist über 40 Jahre alt und aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten - suchen gezielt über Online-Anzeigenportale und Dating-Plattformen nach Kontakten. Sie nutzen dort Kürzel wie „TG-T“ für „Taschengeld-Treffen“ oder „BMB“ für „Bitte mit Bild“, um sexuelle Handlungen gegen geringe Geldbeträge oder Geschenke anzubieten oder zu erbitten.

Potenzielle Opfer würden dann häufig durch Gleichaltrige oder über soziale Netzwerke aufmerksam gemacht, und dann von den Plattformen auf private und verschlüsselte Messenger-Dienste gelockt. Täter und Opfer blieben dabei zunächst anonym - bis zur Tat. „Diese Form digitaler Anbahnung macht es für Eltern und Bezugspersonen besonders schwer, Anzeichen zu erkennen“, erklärt das LKA. „Umso wichtiger ist es, dass Erwachsene das Thema aktiv ansprechen und Vertrauen aufbauen.“ 

Was Jugendlichen oft nicht klar ist 

An die Jugendlichen gerichtet, geben sie den Hinweis: „'TG-Treffen' sind immer sexuelle Ausbeutung - auch wenn sie sich zunächst freiwillig anfühlen oder wie eine harmlose Möglichkeit wirken, Geld zu verdienen.“

Alina Prophet von der Fachberatungsstelle Prostitution der Diakonie Hamburg auf der Webseite der Initiative „Schau hin! Was Dein Kind mit Medien macht“ macht klar: „Bei dieser Form der Treffen handelt es sich um Prostitution, auch wenn dies nicht explizit benannt wird und sich die Anbietenden häufig nicht als Prostituierte bezeichnen.“ Die Beschreibung verharmlose oder verniedliche, worum es eigentlich geht - um Prostitution. 

Und diese Cybergrooming-Variante, bei der die Treffen im ungeschützten Rahmen stattfinden - also meist draußen, in Autos oder bei Kunden zu Hause - berge weitere Gefahren für die Jugendlichen, so Prophet: Es könne zu Übergriffen, Vergewaltigungen oder Zahlungsverweigerung kommen. „Diese Gefahren sind den Jugendlichen häufig nicht bewusst“, sagt die Expertin. 

Bei welchen Anzeichen Eltern alarmiert sein sollten

Anzeichen können laut der Beraterin beispielsweise Veränderungen im Verhalten oder der Optik des Kindes sein, etwa: 

  • wenn Betroffene plötzlich eine veränderte oder stark sexualisierte Optik aufweisen
  • zwei Handys besitzen
  • sich immer mehr zurückziehen
  • den Kontakt mit Familie und Freunden meiden
  • die Schule schwänzen
  • eventuell Drogen konsumieren
  • nicht mehr nach Hause kommen
  • Spuren körperlicher Gewalt aufweisen
  • starke Stimmungsschwankungen haben

„Jede dieser Auffälligkeiten kann auch andere Ursachen haben. Wichtig ist, dass Erwachsene Veränderungen von Kindern und Jugendlichen ernst nehmen und sie darauf ansprechen“, rät das Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch. Beim Verdacht auf Missbrauch sollte man das Kind nicht drängen und keine Fragen stellen, auf die man nur mit Ja oder Nein antworten kann, etwa „Hat dir die Person wehgetan?“.

Offene Fragen stellen und keinen Druck ausüben

Besser seien offene Fragen wie: „Was habt ihr zusammen gemacht?“ Aber auch da gilt: kein Druck! Denn fühlt sich das Kind bedrängt, könne es passieren, dass es ganz dicht macht oder in eine bestimmte Richtung antwortet. Man dürfe nicht vergessen, dass meist ja schon der Täter oder die Täterin großen Druck aufbaut, dass das Kind nichts erzählen dürfe. 

„Erklären Sie, dass es manchmal Geheimnisse gibt, die sich schlecht anfühlen und dass man über solche Geheimnisse sprechen darf“, empfiehlt das von der Unabhängigen Bundesbeauftragten gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen geförderte Hilfe-Portal als Gesprächs-Taktik. Dabei raten die Experten, dennoch nicht voreingenommen, sondern auch offen für andere Erklärungen für das beobachtete Verhalten zu sein. 

Wichtig: „Wenn das Kind über Missbrauch berichtet, fragen Sie nicht nach Details. Denn eine richtige Befragung muss gelernt sein und sollte Fachleuten überlassen werden“, erklärt das Portal weiter. „Machen Sie sich klar, dass Sie für das Kind da sein und nicht die Täter oder Täterinnen überführen wollen.“

Und: „Sagen Sie, dass Sie dem Kind glauben, und loben Sie es für seinen Mut. Machen Sie deutlich, dass Sie an seiner Seite stehen. Bewahren Sie Ruhe und handeln Sie nicht übereilt.“

Wer hilft weiter?

Erfahren Angehörige oder Bekannte, dass ein Kind sexuell missbraucht wurde, oder hegen einen Verdacht, gibt es Rat am Hilfe-Telefon Sexueller Missbrauch unter 0800 22 55 530 oder in Fachberatungsstellen, die zum Thema arbeiten.

Die Mitarbeitenden helfen Ihnen auch dabei, zu entscheiden, ob eine sofortige Anzeige bei der Polizei im individuellen Fall sinnvoll ist, heißt es von der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes. Auf dem Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch gibt es eine Datenbank für Stellen in der jeweiligen Nähe.