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Delikate Resteverwertung in Gelee

Von Heidemarie Pütz 26.11.2004, 09:33

Pfronten/Hamburg/dpa. - Bei Sülzen konnte die Köchin früher erstaunliche Kreativität beweisen: Heraus kamen nicht selten schön verzierte und in passende Form gegossene Kunstwerke. Heute eignen sich frische Sülzen bestens als Gästeessen.

Der Umgang mit Gelatine beziehungsweise Gallert gehörte zum Handwerk, denn die kalte Speise war eine gute Möglichkeit, Reste zu verwerten und für einige Tage zu konservieren. Im klassischen Sinn ist Sülze eine Mischung aus zerkleinertem Fleisch, das mit durchsichtigem Gelee aus Gelatine oder säuerlicher Gallertmasse zusammengehalten wird. Erfahrene Köche wie Barbara Schlachter-Ebert vom Restaurant «Schloßanger Alp» in Pfronten im Allgäu umhüllen auch Fisch-, Geflügel-, Wild- oder Gemüsestücke sowie Kräuter und Pilze mit der Masse. Die Grenzen zum ausdekorierten Aspik mit allerlei pikant eingegossenen Leckereien sind dabei fließend.

Sülzen und Aspiks zählten zu den so genannten kalten Schüsseln, die in der klassischen Menüfolge zwischen Wildbret und Nachtisch gereicht wurden. Gallert, die Hauptzutat beider Speisen, bezeichnete Carl Friedrich von Rumohr 1832 in seinem Werk «Vom Geist der Kochkunst» als «sehr nahrhafte, dabei leicht verdauliche Erfrischung, um weitläufige Mahlzeiten angenehm zu verlängern». Erst später wurden die kalten Speisen auch als Vorspeise oder zum Abendessen serviert. Die belegte Scheibe Brot - heute oft Hauptbestandteil des Abendessens - war bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts unbekannt.

Vor der Erfindung der Gelatinetafeln im 19. Jahrhundert war das Kochen der Sulzbrühe oder des Gallerts eine aufwendige Angelegenheit: Damit die Fleischbrühe beim kalt werden erstarrt, wurde sie früher durch Abkochen von Kalbsfüßen gewonnen. Brühen aus dem Gerippe von zerlegtem Fisch brachte zerriebenes Hirschhorn oder eine so genannte Hausenblase - die Innenhaut der Schwimmblase des Hausen, eines Fisches aus der Familie der Störe - zum Gelieren. Fruchtsülzen erhielten ihre dickliche Konsistenz durch die Zugabe von Sago, einem Mehl aus dem Mark der Sagopalme.

Profis kochen noch heute ihren «Sülzenstand» aus Kalbsfüßen oder Kalbs- und Schweineköpfen, da diese jeweils viel natürliche Gelatine enthalten. Doch industriell hergestellte Gelatine spart Hobbyköchen viel Zeit. Der geruch- und geschmacklose «Leim» wird aus Kollagen hergestellt, das in tierischem Bindegewebe enthalten ist. In Deutschland stammt Speisegelatine meist von Schweineschwarten. «Vegetarische Gelier- und Bindemittel sind Agar-Agar aus Meeralgen und Pfeilwurzelmehl aus den Wurzeln tropischer Stauden», sagt Schlachter-Ebert.

«Wenn ein paar Grundregeln beachtet werden, ist der Umgang mit Gelatine nicht so schwer», sagt Alexander Tschebull vom Restaurant «Allegria» in Hamburg. Bei der Dosierung müssen die Mengenverhältnisse stimmen. Deshalb sollte die Anleitung auf der Packung beachtet werden. Niemals darf Gelatine in kochende Brühe gelangen, weil sie sonst ihre Gelierkraft verliert. Da das Geliermittel viel Geschmack schluckt, ist intensives Abschmecken wichtig. Sülzen gehören nicht in die Tiefkühltruhe: Nach dem Auftauen würden sie ihre geschmeidige Konsistenz verlieren und bröckelig werden.

Ob Kasten- oder Terrinenform, Souffléförmchen, Tassen oder Gläser - Sülzen können in fast jeder Form zubereitet werden. Lediglich von Weißblech rät Tschebull ab, da die Speise dadurch einen metallischen Geschmack annimmt. Das Auslegen der Form mit Klarsichtfolie vereinfache zwar das Stürzen, aber der Sülzenrand trage dabei meist Falten davon. Besser ist es, die Form bis dicht unter den Rand kurz in sehr heißes Wasser zu tauchen. «Durch die Hitze schmilzt die Gelatine am Rand. Durch leichtes Schütteln von links nach rechts löst sich die Sülze leicht aus der Form», erläutert Tschebull.

In der Hausmannsküche hatte Sülze früher ihren festen Platz. Reste vom Braten wurden eingesulzt und mit Gewürzgurken aufgetischt. Dazu gab es Bratkartoffeln, Vinaigrette oder Remoulade. «Leichte Sülzen haben heute auch in der gehobenen Gastronomie ihren Stellenwert», sagt Schlachter-Ebert. Bei ihren Gästen ist die «Pfifferlingsülze» ein Renner. Auch Tellersülze vom gekochten Tafelspitz oder Fischsülze mit Sellerie und Safran sind etwas für den anspruchsvollen Gaumen.