Technik-Geschichte Technik-Geschichte: Der Airbag feiert Geburtstag

Hamburg/MZ. - Das Risikopotenzial liegt laut den Expertenbei Versicherungen und Automobilclubs im explosivenTempo der Entfaltung. Weil sich die Säckein wenigen Sekundenbruchteilen mit zum Teildeutlich über 100 Litern Luft füllen müssen,entwickeln sie eine brachiale Kraft, die nichtnur Teile des Armaturenträgers durchschlägt,sondern auch den Passagieren zur direktenGefahr werden kann.
Wer ordentlich angeschnallt ist und eine sichereDistanz wahrt, der braucht etwa die Explosionüber dem Handschuhfach nicht zu fürchten.Doch wer dem Airbag zu nahe kommt, riskiert- wie viele in den USA untersuchte Unfällezeigen - schwere Verletzungen bis hin zumSchädel- oder Genickbruch.
Besonders groß ist die Gefahr bei so genanntenReboard-Kindersitzen, die entgegen der Fahrtrichtungmontiert werden. Deshalb dürfen sie seit einigerZeit nur noch auf dem Beifahrersitz installiertwerden, wenn dort der Airbag abgeschaltetwurde. Außerdem sorgen nach Angaben von Audiin Ingol- stadt und Mercedes in Stuttgartzweistufige Zünder mittlerweile in vielenAutos dafür, dass der Airbag bei leichterenKollisionen weniger brachial entfaltet wirdund so die Verletzungsgefahr für die vornsitzenden Personen sinkt.
Künftig jedoch will und muss die Industriedie Passagiere noch besser vor den Risikenund Nebenwirkungen des Airbags schützen. Angesporntvon verschärften US-Gesetzen zum Modelljahr2004 arbeiten die Entwickler deshalb an intelligentenPrallsäcken, deren Sensorik auch nach innengerichtet ist. So tüftelt man etwa beim SystementwicklerSiemens VDO Automotive in Regensburg nachFirmenangaben an einem Auslösemechanismus,der mit 3-D-Kamera und Gewichtssensoren inder Sitzfläche erkennen soll, wer auf welcheWeise im Auto sitzt und wie groß die Distanzzum Airbag ist. Im Idealfall könnte das Systembei besonders schweren oder großen Insassendann mit voller Wucht auslösen; ist stattdessen ein kleines und leichtes Kind zu schützen,würde sich der Luftsack etwas langsamer unddamit sanfter entfalten.
Den gleichen Mechanismus plant man laut SiemensVDO für die unterschiedlichen Distanzen: Sitztder Passagier "in Position", bedarf es keinerspeziellen Regelung; registriert die Kameradagegen einen Fahrgast "out of Position" würdedie Zündung mehrfach verzögert, so dass derAirbag bei der Entfaltung keine Gefahr darstellt- auch wenn die Schutzwirkung darunter leidenwürde. In der Serienproduktion gibt es bereitserste Ansätze solcher Lösungen: So wird beimneuen Ford Mondeo nach Angaben aus Köln anhandder Sitzeinstellung die Entfernung zum Lenkradberechnet und beim Jaguar XK8 erfassen Infrarot-Sensorenlaut Sprecher Paul Schinhofen den Beifahrer.Doch auf breiter Front sind solche Systemeüber die Forschungs- und Versuchsabteilungennoch nicht hinausgekommen.
Natürlich sind sich die Experten einig, dassman bis zum Jahr 2003 eine funktionierendeAntwort auf die verschärften US-Gesetze gefundenhaben muss. Doch weil mehrstufige, individuellregulierbare Airbags bis dahin nach Einschätzungder Siemens VDO-Experten wohl noch nicht zurVerfügung stehen, wird man sich im erstenSchritt vermutlich auf die vollständige Abschaltungdes Airbags beschränken, wenn der Passagierdirekt im Gefahrenbereich sitzt. Doch dafürmüssen die Sensoren mit 150-prozentiger Sicherheitarbeiten. Schließlich liegen zwischen Totschlägerund Lebensretter oft nur wenige Zentimeter.