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Sicherheit Sicherheit: Für eine weichere Landung

Von Hans-Ulrich Köhler 08.06.2007, 15:06

Köln/MZ. - Die Kugel simuliert einen Menschenkopf, "Kategorie small adult", junger Erwachsener, wie Gunnar Pflug erklärt. Und wenn 3,5 Kilo Masse mit 40 km / h aufs Blech knallen, klingt das wie ein Schuss, auch wenn die Kugel mit einer weichen Gummihaut überzogen ist.

Auch "Hüften und Beine ohne Fuß" werden beim Tüv aufs Blech geschossen - alles abstrakte Gebilde, angelehnt aber an die Anatomie. Diese so genannten Prüfkörper sind voll gestopft mit Elektronik, die die Kräfte misst, die auf die Kugeln wirken. In ihrer Summe geben sie Spezialisten Auskunft zum Sicherheitsstandard eines Fahrzeuges in punkto Fußgängerschutz.

Schwieriger Konflikt

Jeder Schuss muss sitzen, denn es geht ins Geld, wenn Fronthauben von fast serienreifen Autos zerbeult werden. "Das Ziel", so der Leiter des Tüv-Technologiezentrums in Köln, "ist es, Autoherstellern konkrete Daten liefern zu können, wie sie ihre Autos im Frontbereich so gestalten können, dass Fußgänger bei einem Frontalaufprall weniger schwer verletzt werden." Sind Motorenteile etwa zu dicht unter dem Haubenblech, führt das zu schwereren Verletzungen. Problematisch sind auch darunter liegende Verstrebungen oder der Bereich um die Scharniere.

Mehr Lösungen zum Schutz der ungeschütztesten Verkehrsteilnehmer sind dringend nötig. Denn jedes Jahr werden rund 37 000 Fußgänger bei Unfällen mit Autos verletzt, etwa 700 sterben dabei. 90 Prozent dieser Unfälle passieren in Ortschaften, dabei liegt das Tempo oft unter 40 km / h, der von der EU festgelegten Norm für Personen-Crashtests.

Seit 2005 müssen sich alle ab Oktober jenen Jahres neu auf den Markt gekommenen Autos diesen Fußgänger-Tests unterziehen. "Die Autobauer bewegen sich da in einem schwer lösbaren Konflikt. Einerseits muss der Wagen die Insassen optimal schützen, also hart, steif sein. Andererseits verlangt der Fußgängerschutz genau das Gegenteil, weich soll es vorn sein, Aufprallkräfte sollen absorbiert werden", erklärt Gunnar Pflug. Am meisten gefährdet ist beim Aufschlag eines Fußgängers immer der Kopf. Seine Belastungsgrenzen hat die EU klar definiert. Ab 2010 gibt es noch schärfere Bestimmungen für den Fußgängerschutz. Die Einhaltung gegenwärtiger Richtlinien wird u. a. beim NCAP-Crashtest geprüft - in Europa Maß der Dinge in Sachen Fahrzeugsicherheit. Die begehrten vier Sterne für den Fußgängerschutz sind hier noch selten. Derzeit gibt es nur ein einziges 4-Sterne-Auto, der Citroen C6. Die große Limousine hat eine Besonderheit, die außer ihr nur noch der Honda Legend und der Jaguar XK haben: Prallt ein Fußgänger auf die Haube, hebt sie sich - durch eine Explosivladung wie bei einem Airbag - um einige Grad nach oben. Das bewirkt eine weichere Landung des Unfallopfers, die Aufprallenergie wird besser verteilt. Das fällt natürlich den Franzosen leichter als anderen, denn die Motorhaube des C6 ist übermäßig lang, es gibt einen deutlich längeren Gleitweg als etwa beim Polo. Aber irgendwann ist auch die längste Haube zu Ende.

An der Technischen Hochschule in Aachen sucht man nach ganz anderen Lösungen für den Fußgängerschutz. Im Rahmen eines europaweiten Forschungsprojektes wird zusammen mit der japanischen Firma Takata-Petri das Potential des Airbags untersucht, der sich dort aufblasen soll, wo der Aufschlag des Kopfes am härtesten ist: vor und auf der Windschutzscheibe.

Tests mit Airbag

Erste Untersuchungen mit einem Außen-Airbag an einem C6, so Jens Bovenkerk vom Institut für Kraftfahrwesen, seien erfolgreich gelaufen. "Aber diese passiven Maßnahmen haben klare physikalische Grenzen. In Zukunft werden immer mehr aktive Maßnahmen an Bedeutung gewinnen, wie etwa der noch schnellere Aufbau des Bremsdrucks oder elektronische Assistenzsysteme, die einen Fußgänger auf Crash-Kurs rechtzeitig erkennen und schneller als der Fahrer reagieren können."

Bei alledem fürchten die Hersteller natürlich um ihr Design, wenn mehr Fußgängerschutz ausschließlich über lange Motorhauben erreichbar bleibt oder sie das Markengesicht etwa für mehr Sicherheit retuschieren müssen. Konstruktive Änderungen können zudem die Kosten der Autobauer erhöhen. Ferdinand Dudenhöffer von der Fachhochschule Gelsenkirchen glaubt gar, dass "der Fußgängerschutz erstmal ein Stiefkind" bleibt. "Die gesetzlichen Vorschriften werden zwar erfüllt, aber technische Innovationen sind kaum zu erwarten."