Apfelforschung Apfelforschung: Auf der Suche nach alten Sorten
Aue/dpa. - Wenn im Herbst die Äpfel reifen, beginnt für den Pomologen Wilfried Müller eine besonders arbeitsreiche Zeit. Dann bringt die Post dem «Apfelforscher» aus Aue in Sachsen nahezu täglich Pakete mit Früchten ins Haus.
Der Inhalt besteht aus für den Absender aus Kleingärten oder Obstausstellungen unbekannten Sorten. Doch ob Grafensteiner, Prinzenapfel, Helios, Muskatrenette oder Bodenseerambur - der 67 Jahre alte Müller kennt sie nahezu alle. Seit mehr als 20 Jahren ist er im Dienste des Apfels unterwegs.
Er und seine Mitstreiter im Pomologen-Verein e.V. wollen alte Obstsorten wiederfinden und erhalten. Ihnen liegen Apfel, Birne, Kirsche oder Zwetschge am Herzen, denn einige Sorten sind laut Müller nur noch aus Erzählungen von Eltern und Großeltern bekannt. «Egal ob in Gärten oder in der Landschaft, alte Sorten sind wertvolles Kulturgut», sagt Müller.
Er ist ein gefragter Mann, wenn es bei Obstausstellungen oder Seminaren um die Bestimmung von Apfelsorten geht. Die Frucht wird nach Farbe und Größe beurteilt: Ist die Schale glatt, rau oder fettig, eventuell mit Pünktchen oder Sternchen übersät? Auch Duft, Geschmack und Druckfestigkeit verraten dem Obstexperten, welcher Sorte der unbekannte Apfel zuzuordnen ist. Der Stiel und die Beschaffenheit des Kelchs sind weitere Kennzeichen.
«Aber die Kerne, die sind das stabilste Material bei der Bestimmung», sagt Müller, studierter Physiker an der Universität Jena. Mit einem geschickten Schnitt halbiert er die Frucht, zeigt Gehäuse, Kerne und Fruchtfleisch.
Dabei präsentiert er einen dicken Ordner, in dem sorgfältig die Kerne von mehr als 600 Sorten fein säuberlich aufgeklebt und beschriftet sind. Handschriftlich hat er sich zudem ein Bestimmungsbuch zugelegt, in dem Beobachtungen und Zeichnungen zu finden sind, die er immer wieder ergänzt und auch korrigiert.
Kleine Sternstunden sind es, wenn Müller eine fast vergessen geglaubte Sorte wiederentdeckt. So den «Roten Fuchs» in der Lommatzscher Pflege bei Meißen. Ein Obsthändler aus Böhmen soll sie dort gepflanzt haben, drei Bäume stehen noch. Auch der «Rote Abi» ließ die Augen Müllers leuchten. «Das ist eine aus dem Raum Stuttgart kommende Mittelaltersorte. Sie ist zwar wirtschaftlich ohne Bedeutung, aber eben Kulturgut.»
Wenn er mal nicht weiterkommt, was selten vorkommen soll, stehen ihm seine Kollegen aus dem Pomologen-Verein zur Seite. Dieser wurde nach der Wende 1991 in der Tradition des «Deutschen Pomologenvereins» (1860-1919) gegründet. 550 Mitglieder, darunter auch einige aus Tschechien, Frankreich, Österreich und den Niederlanden kümmern sich darin um Wohl und Wehe alter Obstsorten. Pomona, römische Göttin des Obst- und Gartenbaus, hätte ihre helle Freude daran.
Pomologen Verein: www.pomologen-verein.de