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"Böser Boden" "Tatort: Böser Boden": Umweltthriller überzeugt mit Setting - Horrorelemente teils überzogen

Von Friederike Schäfer 26.11.2017, 20:45
Ermittlerin Julia Grosz (Franziska Weisz) sprengt das Treffen der Dorfgemeinschaft.
Ermittlerin Julia Grosz (Franziska Weisz) sprengt das Treffen der Dorfgemeinschaft. NDR Presse und Information

Köln - Am heutigen Sonntag schickte die ARD einen „Tatort“ ins Rennen, der als kombinierter Umweltthriller mit Horrortendenzen zu überzeugen versuchte. In „böser Boden“ ermittelten die Bundespolizisten Torsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und seine Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) im ländlichen Niedersachen.

Der Fall

Am Anfang erschien alles klar. Arash Naderi ist iranischer Einwanderer. Da lag der erste Gedanke, es handle sich um eine politisch motivierte Tat der rechten Szene, gar nicht mal so fern. Erst bei genauerer Betrachtung taten sich ländliche Abgründe in diesem beschaulichen Dorf in Niedersachsen auf, in dem Protestkampagnen gegen die örtlichen Fracking-Methoden eines Erdgasunternehmens schnell in Gewaltausbrüche dieser (O-Ton Torsten Falke) „Öko-Nazis“ ausuferten. Zufälligerweise war eben jener Tote Fahrer des Unternehmens und damit per se in der Schusslinie der Aktivisten.

Die Auflösung

… oder auch Nicht-Auflösung. Denn dieser Tatort deutete vieles an, beantwortete schlussendlich aber weder die Frage nach dem Täter mit völliger Gewissheit, noch gab er eine Antwort auf die eigentlich zentrale Frage: Hat der Konzern Gift in den Boden gepumpt, was für die „neurologischen Ausfallerscheinungen“, „Wesensveränderungen“ oder auch „Psychosen“ der Bewohner verantwortlich ist? Denn die verwandelten sich langsam in Zombie-ähnliche Kreaturen.

Georg Lippert, der neben Marvin Kren Drehbuch führte, erzählt: „Letztlich sind im Film mehrere Lesarten möglich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Vergiftungen der Dorfbewohner auf einen Nocebo-Effekt zurückzuführen sind, auf eine krankmachende Angst vor Gefahren. In der Historie von Epidemien gibt es erstaunliche Phänomene, die eingebildet waren und mit dem Glauben der Menschen zusammenhängen. Auf der anderen Seite muss man in Betracht ziehen, dass die Vergiftungen echt sein könnten. In dieser Frage sind sich auch die Kommissare nicht immer einig.“

Plausibilitätsfaktor

Im Februar 2017 gab die Bundesregierung das Verbot von sogenanntem unkonventionellem Fracking (die Erzeugung von hydraulischem Druck in Untergrundgesteinen wie „Ton-, Schiefer- und Mergelgesteinen und in Kohle führenden Schichten“ zur Förderung von Gasen und Flüssigkeiten) bis mindestens 2021 aufgrund der bestehenden „Kenntnislücken“  bekannt. Ausgenommen sind vier Probebohrungen. Konventionelles Fracking unterliegt hingegen nicht diesem Verbot. Fracking ist seit Jahren wegen unklarer Auswirkungen auf Mensch und Umwelt umstritten. Auf der einen Seite stehen Ärzte und Bürgerinitiativen, die beispielsweise erhöhte Krebserkrankungen in von Fracking betroffenen Regionen auf das in den Boden gepumpte Lagerstättenwasser beziehen, Industrie und Politik vertreten auf der anderen Seite hingegen ein risikofreies Bild. Was fehlt sind transparente Untersuchungen, was eindeutige Aussagen zu dem Thema auf beiden Seiten umso schwieriger machen.

Der „Tatort“ machte vieles richtig und präsentierte sich ebenso vage wie der derzeitige Kenntnisstand. Falke und Grosz sahen sich einer Wand aus Schweigen gegenüber. Ein eigens für Bodenuntersuchungen engagierter Experte – anfangs noch redselig und Currywurst-essend – wollte sich im Endeffekt doch lieber nicht zu dem Thema äußern. Und die Dorfbewohner? Befanden sie sich nun in einer aus Angst konstruierten Psychose oder wurden sie tatsächlich vergiftet? Das zu entscheiden, ist Sache des Zuschauers. Der „Tatort“ beantwortete diese Fragen nicht. Und stand damit in einer Linie zu tatsächlichen Debatten rund um das Thema Fracking und die Auswirkung auf den Menschen.

AnnenMayKantereit

Und dann wären da noch AnnenMayKantereit. Diese aus dem Nichts emporgejubelte Kölner Band, die den passenden Sound in einer der wenigen Szenen über Falke und seinen Sohn geliefert hat. In ihrem Song „Oft gefragt“ heißt es: „Du warst allein zu Haus, hast mich vermisst“, was zwar die Gefühlslage von Falke wiedergeben mochte, auf den gesamten Film betrachtet aber ebenso wie Falkes private Probleme schlichtweg überflüssig erschien.

Fazit

Stimmung, Bilder, Atmosphäre – das Setting stimmte. Düster, spannungsgeladen und kontrastreich hat Regisseurin Sabine Bernardi eine Welt geschaffen, in der vieles in der Schwebe blieb. In diesem „Tatort“ standen Fall und Ermittlungsarbeit im Vordergrund – eine angenehme Abwechslung zum klamaukigen Debakel im letzten Münsteraner Fall. Die Kombination aus Krimi und Horror funktionierte einen Großteil des Films über. Eben weil sich „Böser Boden“ dem Thema Fracking nicht aus bloß einer Perspektive annahm, sondern die einzelnen Standpunkte aufführte ohne zu einer Antwort zu finden, überzeugte die Darstellung dieser der Realität entstammenden, wenn auch vagen Problematik. An einzelner Stelle ging die Fantasie dann doch mit den Machern durch und präsentierte einen wilden beinahe-Zombie-Mob, der alles Menschliche vergessen zu haben schien. Ein bisschen weniger Horror, ein bisschen mehr Krimi hätte geholfen.