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TV-Tipp "Herr Eppert: Wie süchtig sind wir?" TV-Tipp "Herr Eppert: Wie süchtig sind wir?": Das Süchtige in uns

Von Martin Weber 13.11.2014, 09:26
In den beiden 45-Minuten Reportagen, "Herr Eppert: wie süchtig sind wir", geht Thorsten dem Suchtverhalten der Deutschen auf die Spur.
In den beiden 45-Minuten Reportagen, "Herr Eppert: wie süchtig sind wir", geht Thorsten dem Suchtverhalten der Deutschen auf die Spur. ZDF, Adrian Stangl Lizenz

Köln - Im Moment deutet alles darauf hin, dass sie ihre Alkoholsucht im Griff hat. Dass Jenny Elvers aber weiterhin von Süchten geplagt und getrieben wird, kann man in der Reportage „Herr Eppert: Wie süchtig sind wir?“ (ZDFneo, 21.45 Uhr) besichtigen. Eigentlich hat Thorsten Eppert, Journalist, Anfang 40, einen Interviewtermin mit Elvers. Einen ganzen Tag lang aber wird die Verabredung immer wieder verschoben. Weil Frau Elvers durch ihr öffentliches Leben flattert wie ein aufgeregter Kolibri. Eine Stippvisite auf der „Fashion Week“ in Berlin? Muss sein. Ein schnelles Interview mit der BILD-Zeitung (also dem Blatt, das Elvers bei einem Rückfall jederzeit genüsslich vorführen würde)? Ist immer drin. Ein Termin bei Udo Walz, dem in Berlin weltberühmten Friseur? Muss auf jeden Fall stattfinden. Satte 24 Stunden muss sich Thorsten Eppert gedulden, bis ihm Jenny Elvers, nach wie vor süchtig nach Aufmerksamkeit, doch noch ein kurzes Interview gibt. Offen und unverstellt erzählt sie, wie das mit dem Alkohol bei ihr anfing. Schleichend. Und zugleich unerbittlich. Als die Schlaftabletten nicht mehr wirkten, habe sie erst ein, zwei Gläser Wein nachgekippt. Dann wirkten sie wieder, die Schlaftabletten, Jenny Elvers funktionierte nach außen hin, zerstörte sich aber von innen. Bis der desaströse Auftritt im NDR-Magazin „DAS!“ dafür sorgte, dass Elvers doch noch mal die Kurve bekommen hat. Vorerst jedenfalls; Elvers ist sich dessen bewusst, dass auch ein trockener Alkoholiker immer ein Alkoholiker bleibt.

Mindestens 1,8 Millionen Menschen sind in Deutschland alkoholabhängig, rund 110.000 sterben jährlich an den Folgen des Rauchens, etwa drei Millionen kiffen. Thorsten Eppert reist bei seiner Spurensuche nach den Gründen für diverse Süchte kreuz und quer durch die Republik, spricht mit dem Leiter einer privaten Suchtklinik und schafft es, mit den Patienten der exklusiven Einrichtung ins Gespräch zu kommen. Juristen, Manager und Ärzte sind darunter, und weil diese es gewohnt sind, schnell, unter Druck und leistungsorientiert zu arbeiten, haben sie bei der Bekämpfung ihrer Süchte ein zusätzliches Problem. „Alles soll möglichst schnell gehen, auch bei dem Umgang mit ihrer Sucht gilt ‚rapdido’ – und das ist tückisch“, erklärt der Leiter der Suchtklinik.

Woher Süchte rühren, kann man nicht verallgemeinernd sagen, meist spielen diverse Faktoren eine Rolle. Süchte können genetisch bedingt sein und durch private und berufliche Lebensumstände entstehen, und, wie es ein Protagonist der Reportage zusammenfasst: „Es gibt jede Menge Torf, auf dem Süchte wachsen können.“ „Mit dem Schmerz der Drogeneinnahme kommt auch immer gleich der Kick“, erzählt ein anderer Protagonist, und während Thorsten Eppert einen Exkurs in den Deutschen Bundestag unternimmt und nachfragt, wie es die Parlamentarier mit dem Alkoholkonsum halten und sich später schockierenden Momenten in einem Drogenkonsumraum der Stadt Düsseldorf stellt, zeigt sich eine große Qualität des Journalisten. Thorsten Eppert lässt sich unvoreingenommen auf seine Gesprächspartner ein, bleibt stets neugierig, hellwach und interessiert am Ball, biedert sich aber nie an oder macht sich gar emein mit den Menschen, die er interviewt.

Eine Sucht, so muss Thorsten Eppert schließlich am Ende der Reportage feststellen, lauert ein Leben lang. Und Süchtige sind nicht nur neben uns, das Süchtige ist auch immer in uns. Thorsten Eppert ist da natürlich keine Ausnahme. Nach Ende der Dreharbeiten hat er das geschafft, was er sich schon lange vorgenommen hatte: Er hat mit dem Rauchen aufgehört. Jedenfalls fast. Sehenswerte Reportage. 

Folge zwei von „Was macht uns süchtig?“: Donnerstag, 20.11., ZDFneo, 23.05 Uhr

Thorsten Eppert mit Jenny Elvers.
Thorsten Eppert mit Jenny Elvers.
ZDF, Holger Hahn Lizenz