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Thomas Gottschalk wird 65 Thomas Gottschalk wird 65: Geburtstag einer "Supernase"

Von Christian Bos 15.05.2015, 17:19
"Die Supernasen" Thomas Gottschalk und Mike Krüger bei Dreharbeiten im Jahr 1983.
"Die Supernasen" Thomas Gottschalk und Mike Krüger bei Dreharbeiten im Jahr 1983. dpa Lizenz

Köln - Sein erstes Autogramm, erzählt Thomas Gottschalk in seiner just erschienen Autobiografie „Herbstblond“, gab ihm Pater Leppich.

Der Volksprediger übernachtete, als er durchs fränkische Kulmbach kam, im Haus von Gottschalks Eltern. Er war, wie des Entertainers Eltern, aus Oberschlesien geflüchtet und wanderte nun als „Maschinengewehr Gottes“ von Ort zu Ort, um die Massen mit schmissiger Rhetorik zu begeistern, zu erschrecken und zu bekehren.

RTL überträgt Geburtstagsfeier live

Das Sendungsbewusstsein des Paters färbte nicht auf den kleinen Thommy ab, auch wenn er sich immer noch zum Katholizismus bekennt. Aber dass er später einen großen Teil seines öffentlichen Lebens damit zugebracht hat, von Mehrzweckhalle zu Mehrzweckhalle zu ziehen, um die Massen – auch die 20 Millionen da draußen, vor den Bildschirmen – mit reiner Redekraft mitzureißen, gibt schon zu denken.

Am kommenden Montag feiert Thomas Gottschalk seinen 65. Geburtstag, und zwar so öffentlich wie möglich. Mit vielen prominenten Gästen im Berliner Admiralspalast, von RTL live ab 20.15 Uhr übertragen. Er sehnt sich ganz offensichtlich nach den Massen, die ihm längst abhanden gekommen sind. Er ist ein König ohne Reich.

Lebensbilanz schafft es bis an die Spitze der Bestsellerliste

Aber diesmal ist es kein Vertriebenenschicksal. Es führt kein Weg zurück, das Reich hat sich aufgelöst. Und das bestand ja nicht allein aus dem Wanderzirkus „Wetten, dass . . ?“, sondern viel mehr aus der Idee der großen Mitte, der alle Generationen versammelnden, alle Bedürfnisse abgleichenden Show. „Wetten dass . . ?“ war die letzte Bastion dieser Idee. Thomas Gottschalk der letzte König einer Welt, die ohne Quoten, Klicks und Likes auskam. Weil Deutschland ein einiges Fernseh-Volk war.

Immerhin, mit seiner ohne Ghostwriter verfassten Lebensbilanz hat er es noch einmal bis nach ganz oben geschafft, an die Spitze der Bestsellerliste. Darin vergleicht er sich mit dem Helden aus Joseph von Eichendorffs „Aus dem Leben eines Taugenichts“, ein arbeitsscheuer, abenteuerlustiger Romantiker, dem das Glück wie von selbst zufällt.

Der Spaßvogel aus der Zukunft

Er habe eigentlich einfach nur gemacht, wonach ihm gerade der Sinn stand, bekennt der Moderator. Ohne Rücksicht auf Regeln und Verluste. Sein Aufstieg beim Bayerischen Rundfunk gleicht Mark Twains Geschichte vom Yankee am Hofe König Artus. Er ist der Spaßvogel aus der Zukunft, die Pfeife schmauchenden öffentlich-rechtlichen Bedenkenträger sind die verkrusteten Trottel, hilflos gegen die Granaten aus blendender Laune, die Gottschalk am Mikrofon entzündet.

In den Gremien und Redakteursstellen saß noch die Kriegsgeneration, denen Fleiß und Befehlskette tief in den Knochen steckte. Gegen den Rückfall in die Barbarei verordneten sie dem Publikum Hochkultur und Problembewusstsein. Seine schönste Zeit sei das gewesen, erinnert sich Gottschalk in „Herbstblond“, und wer früher die nachmittäglichen Hausaufgaben zu seinen Radioshows vertrödelt hat, kann das nur bestätigen. Begierig harrte man des nächsten flapsigen Spruchs, der wohlgesetzten Entgleisung.

Erste Fernsehversuch mit Musiksendung

Die ersten Fernsehversuche unternahm Gottschalk mit der Musiksendung „Szene“. Die ist heute größtenteils vergessen, aber damals war sie das einzig auszuhaltende Pop-Programm im deutschen Fernsehen. Nicht nur wegen der Musik. Sondern auch, weil hier mal kein ahnungsloser Conférencier mit Schauspielambitionen Texte vortrug, sondern tatsächlich jemand moderierte. Dass da jetzt also auch im Fernsehen einer stand, der einfach mal sagte, was ihm durch die Birne rauschte, das war schon eine kleine Revolution.

Noch besser war Gottschalk, als er sich in der Sendung „Telespiele“ gegen Kandidaten behaupten musste, die in ein Mikrofon blökten, um einen Strich auf einem Bildschirm von oben nach unten zu bewegen. Und war „Wetten, dass . . ?“ mit seiner Mischung aus missmutigen Prominenten und absurden Stammtischgeburten denn weniger absurd? Letzten Endes hat der Moderator die Sendung besser verstanden als seine Kritiker. Es ging nie darum, intelligente Frage zu stellen. Es ging um den möglichst aufwendigsten Rahmen, in dem der Spontankünstler Gottschalk sich ausleben konnte, es ging um einen Schutzraum der Konsequenzlosigkeit.

„Herbstblond“

Er lebe in der Wahnvorstellung, ewig Kind bleiben zu können, schreibt Gottschalk in „Herbstblond“. Den Spaß muss man sich leisten können. Oder wirklich Glückskind sein. Ein Leben ohne Krieg und abseits der Weltpolitik, in beinahe stetigem Aufschwung und wirtschaftlicher Sicherheit verbracht zu haben. Gottschalks Verdienst ist es, dass er den Deutschen beigebracht hat, dass man sich darüber auch freuen darf. Dass man jetzt endlich mal die Zügel schießen lassen kann.

Schlagfertigkeit und betonte Lockerheit sind heute längst Teil des Wettbewerbs. Man ist dazu verdammt. So ist die ehemalige Fernseh-Gemeinde ihrem Wanderprediger verloren gegangen.