Theater Theater: Regisseur Adolf Dresen ist gestorben
Berlin/Leipzig/dpa. - Im vergangenen Januar hatte der bereits schwer erkrankte AdolfDresen den Lessing-Preis des Landes Sachsen erhalten. Dabei würdigteihn der Schriftsteller Christoph Hein als einen begnadetenSchauspielleiter und vorzüglichen Schriftsteller, einen Traktateschreibenden Philosophen und erstrangigen Regisseur. Dresen selbstäußerte sich in seinen letzten Lebensjahren pessimistisch über dieZukunft des Theaters. Der Ensemble-Gedanke finde sich nur noch ankleinen Häusern, und ein übersteigertes Regietheater degradiere dieSchauspieler zu Marionetten.
Dresen wurde am 31. März 1935 in Eggesin (Mecklenburg-Vorpommern)geboren und begann seine Theaterlaufbahn in der DDR-Provinz. Nachdemer 1964 in Greifswald mit seiner eigenwillig-kühnen «Hamlet»-Inszenierung mit Jürgen Holtz in der Titelrolle aufgefallen war,entwickelte er sich laut einem DDR-Theaterlexikon «zu einem derproduktivsten Regisseure des sozialistischen Nationaltheaters derDDR», den ein «kritisch-parteiliches Herangehen an Klassiker»auszeichne.
Genau das sah die SED aber ganz anders, als Dresen an dasdamalige Staatstheater der DDR, das Deutsche Theater in Ost-Berlin,geholt worden war, wo er bis 1977 arbeitete. Als er 1968 einenkraftvollen, volksnahen «Faust I» mit einem aktualisierten«Walpurgisnachttraum» auf die Bühne stellte, griff der DDR-Kulturminister ein und ließ die Szene wieder streichen. Die SED warfDresen vor, die «humanistische Substanz der Faust-Gestalt»beschädigt zu haben. Das blieb nicht der letzte Ärger. Im Dezember1971 musste Dresens Sicht auf Goethes «Clavigo» im Bühnenbild vonAchim Freyer nach der ersten Aufführung abgesetzt werden.
Nach 1977 inszenierte Dresen, dem nach eigenen Worten immer ein«Deutsches Nationaltheater» vorschwebte, nur noch außerhalb der DDRvon Wien bis Hamburg, in Brüssel, London und anderen Städten. 1981übernahm er die Leitung des Frankfurter Schauspiels, die ervorzeitig 1985 wieder aufgab. Er scheiterte an der Doppelfunktionvon Regie und Theaterleitung. Kritiker nannten es ungewöhnlich undäußerst respektabel, dass ein Theaterleiter durch Selbstkritik zudem Entschluss komme, sein Amt aufzugeben. Seine große Liebe galtseitdem dem Musiktheater, ob an der Hamburgischen Staatsoper, demLondoner Covent Garden oder der Wiener Staatsoper. Er scheute dabeiauch nicht vor Richard Wagners Mammutwerk «Ring des Nibelungen»zurück.