1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Rock: Rock: Es dämmert ein «Neuer Tag in Pankow»

Rock Rock: Es dämmert ein «Neuer Tag in Pankow»

Von Steffen Könau 24.10.2011, 17:11

Halle (Saale)/MZ. - Mit Mitte 30 hat dieses Näseln ein ganzes Land erschüttert. "Zu lange gewartet, zu lange gehofft, zu lange die alten Männer verehrt", schnupfte André Herzberg 1988 auf einen nachlässigen Banjoshuffle. Jeder wusste, was gemeint war. Und dennoch lief das Lied "Langeweile" im DDR-Radio, als wolle es die Ohnmacht der Mächtigen nicht nur beschreiben, sondern auch noch beweisen.

Es war der letzte große Erfolg der Band Pankow, die in den 80er Jahren die vielleicht wichtigste DDR-Rockkapelle war. Mit ihrem Land aber verließ die Musiker der Glaube und es verließ sie ihr Publikum. Streit, Stasigeschichten um Gitarrist Jürgen Ehle und verlockende Verträge für Sänger André Herzberg sorgten für den Rest: Abgesehen von einem vom Publikum ignorierten Album blieb es bei gelegentlichen Comeback-Tourneen.

Nun aber dämmert ein "Neuer Tag in Pankow" (Buschfunk), wie das Quintett um Ehle und Herzberg das erste Studioalbum seit 14 Jahren programmatisch genannt hat. Im Jahr 2006 erschien das Album "Nur aus Spaß" (Buschfunk). Und schlagartig ist alles wieder da, was große Pankow-Hits wie "Wetten, Du willst" ausmachte. Hier Ehles schleppende E-Gitarre. Dort Stefan Dohanetz mit seinem trockenen Schlagzeugspiel. Und dazwischen Herzberg, der knurrt wie ein Straßenköter.

Das Rebellische, das aus dem Pankow-Klassiker "Aufruhr in den Augen" klang, ist allerdings vom Zahn der Zeit fortgenagt. "Paule Panke ist abgehaun, ich bin immer noch da", singt Herzberg in Anspielung auf die ein Vierteljahrhundert alte Rockoper um den Lehrling Paule Panke. Der hat heute Familie und andere Sorgen als den Ärger mit seinem Lehrmeister: "Aufruhr in den Augen, Kind an der Hand", heißt es im Text.

André Herzberg klingt, als habe er das alles schon immer kommen sehen. "Zu oft gebadet, zu lange geschlafen, zu viel Fernsehen geschaut" zitiert er ein paar abgewandelte Zeilen aus "Langeweile".

Seit damals hat alles neu begonnen, aber die Revolution hat, soweit sie die Gruppe Pankow betraf, ihre Kinder gefressen. Zeitweise lebte der DDR-Superstar Herzberg von Hartz IV, Jürgen Ehle jobbte als Musiker für andere Bands oder arbeitete für Theater. Das beflügelt nicht gerade, optimistische Verse zu texten oder romantischen Rock zu spielen. Bei Pankow anno 2011 ist der Lack ab, das Rad läuft auf der Felge und bei "Ich mach ne Liste" sind die DDR-Stones näher am Original als die Originale es seit Jahren waren. Kompromisse dagegen fehlen. Nirgendwo ein Flirt mit dem musikalischen Zeitgeist, nirgendwo eine Spur vom Versuch, neue Hörerschichten zu begeistern. Lieber als noch mal Jugendhymnen zu schreiben, diesmal notgedrungen aus der Großvaterperspektive, adaptiert Herzberg einen Text des ähnlich störrischen Liedermacherpaares Pannach & Kunert. "Junge, was willst Du mehr", fragten die sich vor 30 Jahren, der DDR glücklich entkommen im Westteil Berlins. Herzberg schaut heute von Osten, doch er teilt das Gefühl: Wenn schon nicht alles gut ist, besser ist es allemal.

Pankow live im Steintor-Varieté Halle am 30. November