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Reich-Ranicki als Solist Reich-Ranicki als Solist: Zeigefinger eingeholt, Vorhang zu

Von Andreas Montag 06.02.2002, 13:22

Halle/MZ. - Der Vorhang zu, und nureine Frage bleibt offen: Warum hat er sichdas antun müssen? Eingangs der groß angekündigten"Solo"-Show hat Marcel Reich-Ranicki (81)von Alfred Kerr, seinem Lehrmeister im Geiste,gesprochen, für den es nur Ja oder Nein gegebenhabe, niemals Jein. Womit zugleich das Urteilüber Reich-Ranicki als ZDF-Alleinunterhaltereingefordert war: Ja kann man dazu beim bestenWillen nicht sagen. Dafür hätte es ein erkennbaresKonzept und mehr als Behauptungen gebraucht.Und die Sendung hätte heiter sein müssen,was sie nicht war.

Nun werden alle, die es schon immer wussten(sich aber nicht aus der Deckung wagten),endlich ihre Häme am Überkritiker abarbeitenwollen. Dafür gibt es indes keinen Grund.Wenn sich ein Mann von solcher Statur vergaloppiert,ist es traurig und peinlich genug. Dass erden neuen Grass, bei dessen Lektüre ihm dieTränen kamen, in höchsten Tönen lobt - inOrdnung. Nur fehlte es ein wenig an der Begründung.Obendrein hat man eben des Meisters bösenVerriss auf "Ein weites Feld" noch im Hinterkopfund denkt an Wiedergutmachung. Was auch nichtschön ist für Grass.

Und was war sonst? Lob für Philip Roth, dermit siebzig noch prima Bücher schreibt, Lobfür Carl Zuckmayer. Und Beethoven hat Pech,weil seine Aktien beim Publikum fallen. Dafürzieht Mozart an. Und Bach ist sowieso jenseitsvon Gut und Böse. Wie sich der Kritiker selbersieht. Ein Anekdötchen noch über Adenauerund Thomas Mann, dann holpert die Sendungzum Schluss: Zeigefinger einholen, die Stimmesenken. Dreißig Minuten sind eine verdammtlange Zeit.