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Politische DenkmälerPolitische Denkmäler in der Stadt: Buch über Abriss in Halle

Von Günter Kowa 21.02.2017, 20:54
2003 abgerissen: Die „Fäuste“ (Ausschnitt) in Halle
2003 abgerissen: Die „Fäuste“ (Ausschnitt) in Halle dpa

Halle (Saale) - Plötzlich redet man in Deutschland wieder von Denkmälern. AfD-Mann Björn Höcke nennt das Berliner Holocaust Mahnmal einen „Schandfleck“ und erntet Empörung. Der Bundestag beschließt, nach zehn Jahren Hü und Hott, nun doch das Einheitsdenkmal zu errichten. Weder von der geplanten „Wippe“ noch vom Stelenfeld kann man derzeit sagen, „das Auffallendste an Denkmälern ist, dass man sie nicht bemerkt.“

Aber diesen Satz von Robert Musil zitiert der hallesche Historiker Manfred Hettling in dem Buch „Politische Denkmäler in der Stadt“. Dieser jüngste Band aus der Reihe „Forschungen zur halleschen Stadtgeschichte“ beleuchtet am Beispiel der Saalestadt, dass stein- oder bronzegewordene Gedenkkultur in Deutschland keinen leichten Stand hat.

Das Resümee des Universitätsprofessors konstatiert den Gewöhnungseffekt, den Erinnerungsmale im Lauf der Zeit ausüben, aber auch die „Ratlosigkeit im Umgang“ mit ihnen: Deutschland kennt kaum „kollektive Rituale“, es werden nur immer neue Denkmäler errichtet und dann vernachlässigt.

Buch „Politische Denkmäler in der Stadt" beleuchtet abgerissene Erinnerungsorte in Halle

Die neun Aufsätze im Band beleuchten überwiegend die politischen Denkmäler aus entfernten Geschichtsepochen Halles. Ausführlich geht der Rechtshistoriker Heiner Lück auf den Roland ein, die schwertbewehrte Kolossalfigur am Roten Turm, die eine steinerne Kopie des 1719 verbrannten hölzernen Originals darstellt.

Weitere Autoren befassen sich mit der Denkmalskultur im barocken und im napoleonisch besetzten Halle, dem Gedenken an die Opfer der Befreiungskriege und der Weltkriege; und es fehlen auch nicht einige neue Einsichten zu Halles Heroen, dem Händel am Markt und dem „Waisenvater“ August Hermann Francke.

Jedoch dürfte das Hauptinteresse den Zeugnissen der Zeitgeschichte gelten. So rollt Kai Böckelmann den Mythos vom „Kleinen Trompeter“ Fritz Weineck neu auf, dessen Standbild einst Kulisse von FDJ- und Jungpionier-Ritualen war, aber mit den Umständen der Volkspark-Schießerei vom 13. März 1925 fast nichts zu tun hatte, dafür umso mehr mit der frei fabulierten Märtyrergeschichte im 1961 erschienenen Roman vom „Kleinen Trompeter“ von Otto Gotsche.

Umgang mit politischen Denkmälern der DDR-Zeit sorgte in Halle nach der Wende für Debatten

Heroenkult, befeuert von einer erdichteten Biografie – die Ähnlichkeiten in der Machart vom Mythos der „28 Panfilowzy“ sind nicht zu übersehen und werden im Gegenwartsrussland weiter gepflegt, wie der Propagandafilm über die Sowjetsoldaten zeigt, die sich 54 deutschen Panzern entgegengestellt haben sollen.

Die Weineck-Statue ist ins Stadtmuseum abgewandert. Über den Umgang mit Halles weiteren politischen Denkmälern der DDR-Zeit gab es nach der Wende erregte Debatten. Am Beispiel der „Fäuste“ und der „Fahne“ aber erweist sich, dass es keine Patentrezepte geben kann.

Hettling empfiehlt die „bewahrende Erinnerung“; aber demnach hätten die „Fäuste“ stehen bleiben müssen, unbeschadet der begründeten Kritik an ihrem rohen, martialischen Gestus, der das Eingangsportal der Stadt auf ewig bestimmt hätte. Die „Fahne“ blieb stehen, im Musilschen Sinne „unsichtbar“ geworden, aber die Energie, die die damaligen Denkmal-Schützer in den Kampf um ihren Erhalt investierten, hätte besser der Verhinderung des gesichtslosen Neubaus an dessen Seite gelten sollen, der die Neugestaltung einer der schönsten Stadtpromenaden Halles des 19. Jahrhunderts auf lange Zeit schwer beeinträchtigt hat.

Manfred Hettling (Hg.): Politische Denkmäler in der Stadt, Mitteldeutscher Verlag, 240 Seiten, 24 Euro (mz)