Nachruf auf ein Denkmal Nachruf auf ein Denkmal: Mit geballter Faust hinab in den Staub
Halle/MZ. - "Monument der Arbeiterbewegung":Von Anfang an wäre kaum jemandem eingefallen,die kolossale Betonplastik am halleschen Thälmannplatzmit ihrer offiziellen Bezeichnung zu benennen.Aber auch sonst ist viel historisches Wissenum die "Fäuste" verloren gegangen. Nicht einmaldas genaue Datum ihrer Einweihung wird - inFührern und auch in dieser Zeitung - nochverlässlich überliefert. Immerhin hat jüngstnoch ein Forschungsprojekt am Institut fürGeschichte der Universität Halle ein stabilesGerüst an Daten und Deutungen zusammengebracht.Der Mythos "Fäuste" bleibt also an den Faktenüberprüfbar.
Es war am Vorabend des "Tages der Republik",am 6. Oktober 1970, dass die unübersehbareSchöpfung aus Beton enthüllt wurde. Der "sozialistische"Umbau des damaligen Thälmannplatzes hattebereits zwei Jahre zuvor eingesetzt. RichardPaulick und sein Architektenkollektiv führtendamit in der Spätzeit der Ära Ulbricht einProjekt zur Vollendung, das an anderer Stellebegonnen worden war.
Der Thälmannplatz - so machte es die geänderteVerkehrslenkung unmissverständlich klar -wurde zum Entree nicht für Alt-Halle, sondernfür Halle-Neustadt. Die sozialistische (Chemie-)Arbeiterstadtsollte am Bahnhof den ihr angemessenen Auftrittbekommen. Städtebaulich goss Paulick die Botschaftin eine modernistische Sprache, abgeschautan westeuropäischen Vorbildern. Es entstandein gigantomanisch aufgerissener Raum alsBrennpunkt des Autoverkehrs vor einer Fassadenkulissemit modisch abstrakten Aluminiumelementen.
Auch wenn mit dem "Fäuste"-Monument und demerst 1973 enthüllten Relief "Traditionen derder revolutionären Arbeiterbewegung" das Platzgefügeerst im Nachhinein mit einer künstlerischenAussage ergänzt wurde, sah die Planung vonvornherein vor, den neuen Stadtraum mit politischerSymbolik aufzuladen.
Ulbricht, das Politbüro und Paulick schritten1968 über den noch von gründerzeitlichen Restenumgebenen Platz und bestimmten, dass die Neugestaltungim Zeichen des Arbeiterführers Ernst Thälmannstehen sollte. Das Künstlerkollektiv, dasaus den Bildhauern Gerd Lichtenfeld und HeinzBeberniß sowie dem Architekten Sigbert Fliegelbestand, nahm sich kühn eine Abwendung vombestehenden Klischee der Thälmann-Statuenvor. Sie reduzierten sie kurzerhand auf ihretypische Geste der ausgereckten, geballtenFaust.
Sie bemühten sich um eine Plastik von reinabstrakter Symbolik. Es blieb ein kurzer bildhauerischerSonderweg der DDR, der auch die "Fahne" inHalle und das "Denkmal der Bodenreform" inMerseburg - inzwischen abgerissen - hervorbrachte.Sie orientierten sich dazu an Vorbildern derModerne wie dem Weimarer Märzgefallenen-Denkmalvon Walter Gropius.
Dass das Ergebnis diesen in künstlerischerHinsicht nicht das Wasser reichen konnte,hängt mit vielen, heute kaum noch entwirrbarenFaktoren zusammen. Wie bei der "Fahne" warkünstlerisch manches anders geplant: Einedynamisch aufstrebende Figur sollte entstehen,die sich mit wuchtiger Stoßkraft von einemSockel in den Himmel reckt. Aber auch politischlebte das Zeichen nicht so, wie es sollte.Die aufgesetzten Jahreszahlen, die Etappenauf dem Weg zum Kommunismus bezeichneten,wurden, anders als geplant, nie um neue ergänzt- außer zur Wendezeit.