1. MZ.de
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Ökologie: Ökologie: Die Rettung der Wälder

Ökologie Ökologie: Die Rettung der Wälder

Von ROLAND MISCHKE 28.06.2011, 20:10

THARANDT/MZ. - Die deutschen Länder waren um 1800 eine Mondlandschaft. Die Bewohner waren rücksichtslos mit der Natur umgegangen, der Waldbestand auf ein Minimum geschrumpft - jetzt gab es ein böses Erwachen. Holz war damals das bevorzugte Bau-, aber auch Heizmaterial, die Ressource schien unerschöpflich. Auch das Vieh wurde in den Wald getrieben, weil es die bequemste Art der Fütterung war: die Herden fraßen jedoch neben Eicheln auch die jungen Triebe weg.

Plötzlich war der deutsche Wald ein Ort des Kahlschlags und des Elends. Es hatte kluge Köpfe gegeben, die davor gewarnt hatten, aber man hatte ihnen nicht geglaubt. Da war der "Berg-Hauptmann" Hans Carl von Carlowitz, der es Ende des 17. Jahrhunderts wagte, sich mit August dem Starken anzulegen, der wahllos Holz für den Grubenausbau im Erzgebirge schlagen ließ, ohne für Baumnachwuchs zu sorgen. Doch seine Mahnung, an "nachhaltende Nutzung" zu denken, ging unter.

Erst hundert Jahre später trat der Förstersohn Heinrich Cotta, 1763 in der Rhön geboren, Mathematiker und Experte im Vermessungswesen, auf den Plan. Er gewann in Weimar die Herzoginmutter Anna Amalia für seine Ideen. Auf seinen Vorschlag fand im Herzogtum Sachsen-Weimar eine Bestandsaufnahme der fürstlichen Wälder statt, um "eine auf richtigen Grundsätzen der Forstwissenschaft festgesetzte neue und nachhaltige Forsteinrichtung" festzusetzen. Als Minister ordnete Goethe persönlich die Vermessung an. Es sollte exakt festgestellt werden, wie viel gesunder Wald noch vorhanden war.

1810 erhielt Heinrich Cotta einen Ruf nach Dresden, man ernannte ihn zum "Direktor der Forstvermessung und Taxation" und unterstützte seinen Plan, eine moderne Forstschule zu gründen. Die siedelte er im Juni 1811 im Städtchen Tharandt an, das sich im engen Tal der Weißeritz an ein großes Waldgebiet schmiegt. Dort befindet sie sich heute noch, die älteste beständig bestehende Institution ihrer Art in der Welt. Zum 200-jährigen Jubiläum fand dieser Tage eine Konferenz statt, bei der Fachleute aus vielen Ländern Cotta als Verbreiter der Nachhaltigkeit würdigten. Der hatte nicht nur deutsche Studenten, sondern auch solche aus der Schweiz, Spanien und Russland an seine Akademie geholt. Als er 1844 starb, hinterließ er als sein Lebenswerk die Keimzelle der Ökologie in Tharandt.

Nachhaltigkeit, die heute jeden Bereich des Lebens - von Rohstoffen über die Kunst, den Sport und bis in die Gefühlswelt - durchdringt, ist demnach eine sächsische Erfindung. Drastisch durchgepaukt von Heinrich Cotta, der zwei Maßnahmen verfügte. Er ließ ganze Wälder mit gleichartigen Bäumen bis zur "Umtriebszeit" wachsen, den Bestand komplett fällen und auf der freien Fläche Sämlinge für einen neuen Wald setzen.

Die Waldkatastrophe wurde zur Wende in der Forstwirtschaft und gipfelte in der Walderneuerung als System. Später wurde das Modell verfeinert, indem man von der rettenden Monokultur überging zum Mischwald. Das bedeutete, dass man mehrere Baumarten nebeneinander pflanzte und die eine Sorte nach einiger Zeit schlug, während die andere stehen blieb. Das ist bis heute das Prinzip in der Forstwirtschaft, die inzwischen 20 verschiedene Waldtypen kennt. "Prozessschutz", wie ihn Cotta verlangt hatte, geht vor Artenschutz.

Ohne die ursprünglichen Anregungen aus dem Sächsischen gäbe es heute keine Öko-Label für Produkte, Lebensmittel oder Urlaubsangebote. Beim Umweltbewusstsein waren die Sachsen Pioniere, sie empfanden als erste, dass Nachhaltigkeit eine Notwendigkeit sei. In Tharandt wurde auch erläutert, was das am Beispiel des deutschen Waldes bedeutet: Die Buche gilt heute als sein "Charakterbaum", aber vor 200 Jahren war sie nahezu verloren. Inzwischen steht sie wieder prächtig da.