Neues Album Neues Album: Bürger Lars Dietrich feiert das Ende der DDR auf seine Weise

So richtig weiß man bei dem Mann mit dem Bürstenschnitt und dem Dreitagebart nie, wo eigentlich sein Talent liegt. Ist Lars Dietrich lustig? Kann er singen? Tanzt er gut? Oder entfaltet sich sein Charme erst richtig, wenn er moderieren darf?
Wurzeln in Wittenberg
Eine Frage, die sich der 40-Jährige nach einem Vierteljahrhundert Karriere nicht mehr stellt. Dietrich, der sich nach dem bekannten Volkspolizeispruch „Bürger, die Papiere“ Bürger Lars Dietrich nennt, macht einfach. Pünktlich zum 25. Jahrestag des Mauerfalls gerade wieder mit einer CD voller Lieder, die ohne ihn vergessen wären. Von der „TV-Show“ der Puhdys, einem geschmacklichen Tiefpunkt in deren Laufbahn, über den Politsong „Der ABV“ bis zu einer Adaption von Lindenbergs „Sonderzug“ fährt Dietrich auf, was immer ihm gefällt. Das kann der als Sohn einer aus Pretzsch bei Wittenberg stammenden Familie und in Potsdam aufgewachsene Sänger, Breakdancer und Komiker, denn schließlich ist das hier seine DDR - übersetzt „Dietrichs Demokratische Republik“. Ein Land wie eine Dorfdisko in Thüringen anno 1984: Beste Stimmung trotz bescheidener Aussichten. Die Musik ist laut und alle machen mit, wenn das „Ostneubaukind“ (Dietrich über Dietrich) über seine Kindheit rappt. „Ich kenne die Platten / hier spielten wir Soldaten / mit Granaten-Attrappen“.
Politische Korrektheit oder gar demonstrative Verdammung ist von Dietrich nicht zu bekommen, dafür aber eine ganze Ladung Realität, wie sie ein Teenager bis zum Mauerfall erlebte. Keine Schlümpfe, keine Michael-Jackson-Platte und eine Reise nach Amerika - aussichtslos! Dafür gab es abfotografierte „Bravo“-Poster und immer die Hoffnung, dass ein Westradiosender den neuen Superhit endlich mal ausspielt.
Lars Dietrich, ein früher Fan von Hiphop und Breakdance, der ohne die ganz großen Leiden am Staatssozialismus leben konnte, hat seine eigene Art, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Er rappt mit den Puhdys, adaptiert die Mokka-Milch-Eisbar von Thomas Natschinski und hat sogar Schlagerstar Frank Schöbel überredet, mit ihm zusammen eine neue Version von „Komm wir malen eine Sonne“ einzuspielen.
So wird „DDR“ zur Hitparade der gerappten Klassiker, bekannte Melodien, unterbrochen von Dietrichs zugespitzten Reimen, die sich auf die weniger schmerzhaften DDR-Erfahrungen konzentrieren, aus denen sich heute noch Lehren ziehen lassen. Wer weniger hat, weiß mehr zu schätzen, wer etwas nicht dürfen soll, wird es immer umso mehr haben wollen. Dietrich hat seinen Traum von der Bühne wahrgemacht. Aus den frühen, schrägen Hörspielen, die er am Tonband seines Bruders zusammenschnippelte, sind diese edlen Wiederaufführungen geworden: mit Sebastian Krumbiegel, mit Angelika Mann, gleich zweimal auf Stücke des großen Reinhard Lakomy. Das Cover ist im Blau des DDR-Personalausweises gehalten. Die Plattenfirma heißt Amiga. Nun sage noch wer, Dietrich habe keinen Stil.
