Musik Musik: Graue Schläfen und röhrende Gitarren
Hannover/dpa. - So mancher bei Medien und Fanslängst abgeschriebene Altmusiker kommt in diesem Zuge wieder zuCharts-Ehren.
Ein Trend «back to the roots»? Kai Friedrichsen von der PR-Abteilung der Karsten Jahnke Konzertagentur in Hamburg bestätigt,dass die Stadionkonzerte von AC/DC fast überall ausverkauft sind,«obwohl sie erst im Herbst eine Hallentour gemacht haben. AuchDepeche Mode und Soft Cell sind auf einmal wieder da.» SeineErklärung: «Vieles, was vor 20 und mehr Jahren bekannt, begehrt undberühmt war, wird heute nachgesungen und auf diese Weise einem neuen,jungen Publikum bekannt gemacht. Menschen zwischen 40 und 50 fühlensich hingegen beim Besuch dieser Konzerte in ihre Jugendzurückversetzt.» Für die Shows von Neil Young müsse man zum Beispielwenig Werbung betreiben, sie seien spätestens nach drei Monatenausverkauft. Gleiches gilt für Bob Dylan.
Selbst Francis Rossi von Status Quo sagt: «Manchmal denke ich,heute sind nur noch Rock-Dinosaurier unterwegs.» Das 1967 gegründeteRock- und Boogie-Urgestein spielt in diesem Sommer zahlreicheKonzerte nicht nur in Deutschland. Der 52-jährige Gitarrist undSänger wundert sich: «Wo sind all die neuen Bands? Irgendjemand mussuns alte Recken doch ablösen, wenn wir eines Tages von der Bühnefallen. Radiohead sind fantastisch, aber wann gehen die mal aufTournee? Ein Musiker muss spielen, spielen, spielen. Mein Lebensmottojedenfalls lautet: Rock till you drop!»
Diesen Leitspruch hat sich auch Ian «Lemmy» Kilminster auf dieFahne geschrieben. Mit seiner Gruppe Motörhead hat der Mann mit dermarkanten Warze seit 1975 viele Kollegen von Metallica über Rammsteinbis Blink 182 beeinflusst. In diesem Jahr wurde Motörhead alsZugpferd für das Wacken Open Air verpflichtet. Beim größten Heavy-Metal-Festival auf deutschem Boden wird am 3. und 4. August inSchleswig-Holstein gerockt. «Einmal hat uns so ein Schreiberlingglatt als Rock-Dinosaurier bezeichnet», entrüstet sich der 55-jährigeBassist und Sänger. «Wir sind seit über 25 Jahren Trendsetter undkeine Nachahmer. Dafür sollte man uns zu Dank verpflichtet sein!Motörhead spielen noch jede junge Band an die Wand.» Doch allzu langewill der Kettenraucher und Liebhaber britischen Starkbiers wohl nichtmehr im Heavy-Rock-Zirkus auftreten. «An meinem 60. Geburtstag werdeich ein Flugzeug mieten, drei Mädchen und ein paar Kisten Biermitnehmen und die Party von oben begutachten.»
Auch eine deutsche Band spielt im 30. Jahr ihres Bestehens nochimmer an vorderster Front. Mit ihrem 70er-Rock begeistern dieScorpions junge wie alte Fans auf der ganzen Welt; zurzeit stellendie Hannoveraner ihr neues Album «Acoustica» auf hiesigen Bühnen vor.«Es gab Zeiten, da hat man die Scorpions belächelt. Die nächsteGeneration fand uns plötzlich wieder cool. So ist das eben: Mal bistdu der größte Arsch, mal Liebling der Massen», sagt BandgründerRudolf Schenker (53). «Ich mache jedenfalls genau das, was mir Spaßmacht. Manche mögen mich als Unikum bezeichnen ist mir egal.»
Für Claudia Seeger-Wedeleit vom Magazin «Good Times», das sich mitRockmusik der 60er, 70er und 80er Jahre beschäftigt, ist das Comebackder Rock-Opas nichts ungewöhnliches. «Viele Musiker gehen auf die 60zu, und die Fans wollen ihre Helden noch einmal sehen», erklärt sie.«Diese Rückbesinnung ist eigentlich nichts Neues. Bob Dylan oder NeilYoung waren ja nie wirklich weg.»