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Martin-Gropius-Bau in Berlin Martin-Gropius-Bau in Berlin: Ohne Furcht vor Pathos

Von Andreas Montag 13.04.2008, 18:00

Berlin/MZ. - Zumindest, wenn der Ausstellungsort über solch großzügige Räumlichkeiten gebietet wie der Martin-Gropius-Bau in Berlin.

Zwischen den Genres

Die Werkschau, zusammengestellt vom Tel Aviv Museum of Art, ist die erste Retrospektive des 1930 geborenen, weltweit tätigen israelischen Künstlers in Deutschland überhaupt. Sie belegt seine Tugenden anschaulich - und offenbart zugleich die Angriffspunkte, von denen sich Kritiker immer wieder herausgefordert sahen. Dass Karavan, der auch die "Straße der Menschenrechte" am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg gestaltet hat, scheinbar unbekümmert zwischen den Genres springt, was früher als ein schwerwiegender Vorwurf galt, hat inzwischen freilich an Skandalpotenzial verloren: Plastik, Architektur, Natur und Design zu Kunstwerken im öffentlichen Raum zu verschmelzen, wird selbstverständlich akzeptiert.

Anders steht es bei der Frage nach der Legitimität des Plakativen und monumental Moralischen, dem man bei Karavan unvermeidlich begegnet. Sofern man jegliche Form demonstrativer Verstärkung ablehnt, wird man diesem Werk staunend, vielleicht auch befremdet gegenübertreten. Wobei aus anfänglicher Irritation auch Nähe entstehen kann, wenn der Betrachter eine Antenne für die enorme Emotionalität Karavans hat - eine Kraft im Übrigen, die ganz dem Gegenstand verpflichtet, also gezielt eingesetzt ist. Worin soll das Besondere bestehen, einen Baum kopfüber neben einem "normalen" zu zeigen? Eben darin: In der äußersten Provokation, das Gewohnte, der Natur gemäße in das Gegenteil zu verkehren, wie es uns alltäglich in Gegensatzpaaren wie Krieg und Frieden, Liebe und Hass, Gut und Böse begegnet und im Kanon allgemeiner Ansichten für unausweichlich gehalten wird.

In Karavans radikaler Konfrontation wird das Einfache, das man als banal abzutun versucht sein könnte, mit einem Mal als das Grundsätzliche und Zwingende erfahrbar, mit dem man sich nicht als gegeben einrichten kann.

Ehrung für Benjamin

Immer zielt Karavan auf den äußersten Punkt, mit dem man sich nicht abfinden kann - will man nicht Gefahr laufen, das Humane dem Gang der Geschäfte preiszugeben. In Gurs, einem der berüchtigtsten französischen Internierungslager während der NS-Zeit, hat er ein Stück Schienenstrang verlegt. Tausende Juden haben von Gurs aus den Weg in die Vernichtungslager antreten müssen. Im spanischen Portbou, wo der deutsche Philosoph Walter Benjamin auf der Flucht vor den Nazis in seiner Verzweiflung Selbstmord beging, führt eine schmale Treppe zu einem Endpunkt, von dem aus der Betrachter auf das Meer sieht. Und in der israelischen Negev-Wüste erinnert ein begehbares Monument aus geschwungenem Stein an den Unabhängigkeitskampf seines Volkes. Reduzierter kann Pathos kaum sein - und schwerlich von größerer Wucht.

Bis zum 1. Juni, Martin-Gropius-Bau Berlin, Niederkirchnerstraße 7, Mi-Mo 10-20 Uhr, Di (außer 13. Mai) geschl.; Eintritt 7 Euro, erm. 5 Euro.