Literatur Literatur: Erinnerungen an Irmtraud Morgner
Chemnitz/ddp. - Fürmich sind es Nachschlagewerke», sagt die seit einigen Jahren inChemnitz lebende Schauspielerin. Sie hat gemeinsam mit derChemnitzerin Beate Kunath einen Dokumentarfilm über Irmtraud MorgnersJahre in deren Geburtsstadt Chemnitz gedreht. Er hat zum 75.Geburtstag der Schriftstellerin am 22. August Premiere.
Schmitz gehört neben anderen Künstlerinnen, Wissenschaftlerinnen,Publizistinnen und auch ein paar Männern der«Irmtraud-Morgner-Tafelrunde» im Chemnitzer Frauenzentrum Lila Villaan. Ihr Anliegen: Sie wollen die 1990 gestorbene Autorin vor demVergessen bewahren. Morgners Thema war die Emanzipation der Frau,ohne den Mann außen vor zu lassen. Sie bediente sichhistorisch-mythologischen Rahmenhandlungen, mehreren Erzählebenen undeiner verfremdeten Sprache, um in der DDR unbequeme Gedankenaussprechen zu können. Das Romanzitat «Die Philosophen haben die Weltbisher nur männlich interpretiert. Es kommt aber darauf an, sie auchweiblich zu interpretieren, um sie menschlich verändern zu können»verstehen auch Morgner-Anhänger als ihr Credo.
Man müsse nicht alle Bücher gut finden, aber Irmtraud Morgnerdürfe nicht vergessen werden, sagt Gudrun Rohn über ihreKindheitsfreundin. Beide sind im Stadtteil Hilbersdorf aufgewachsen,ihre Väter waren Lokführer, beide besuchten die Karl-Marx-Oberschule,ehe sich wegen des Studiums die Wege trennten. Rohn taucht imGegensatz zu anderen Chemnitzern allerdings nicht in Morgners Werkenauf.
Sie selbst erinnert sich noch gut an ihre Mitschülerin: «DieIrmtraud war sehr wortkarg. Sie hat mit ihren großen klugen wachenAugen aufgenommen und wenig geäußert.» Mit den Albereienheranwachsender Mädchen habe sie nichts zu tun haben wollen und derHumor, den sie später in ihren Büchern vermittelt habe, sei damalsnicht spürbar gewesen.
Die Begegnung der gebürtigen Duisburgerin Ursel Schmitz mitMorgner liegt ebenfalls Jahrzehnte zurück. Als Aktive derFrauenbewegung nach 1968 hat die heute 62-Jährige «natürlichDDR-Schriftstellerinnen gelesen: Christa Wolf, Brigitte Reimann,Irmtraud Morgner, Maxie Wander», zählt sie auf. Morgner sei einschweres Kaliber gewesen mit einem ungewöhnlichen Stil. «Ich glaubenicht, dass ich damals alles verstanden habe», gibt Schmitz zu. Heutegefalle ihr die intellektuelle Auseinandersetzung. Sie finde primaGedanken, die ihrer persönlichen und politischen Lebenserfahrungentsprächen - daher die Anstriche in den Büchern.
Die Leipziger Literaturwissenschaftlerin Christel Hartingervermutet, dass Morgner im Westen besser verstanden wurde als imOsten. «Die feministische Bewegung war dort weiter», sagt Hartinger.In der DDR hätten viele geglaubt, die Frauenfrage sei mit derVeränderung der Produktionsverhältnisse gelöst. «Doch wir haben dieneue Rolle angenommen, ohne die alte abzulegen», sagt sie zurweiblichen Erfahrung mit dem «real existierenden Sozialismus».
Sie war enttäuscht, dass es zum 70. Geburtstag der in Ost und Westpreisgekrönten Autorin kaum ein Buch zu kaufen gegeben habe. DieAnregung einer Kollegin aus Amsterdam, Morgner ein Denkmal zu setzen,griff Hartinger gern auf. In Chemnitz sollte es sein. «Dort ist siegeboren. Die Stadt und die Menschen spielen in vielen ihrer Büchereine Rolle», sagt Hartinger. Um die Denkmalsidee herum seischließlich die Tafelrunde gewachsen.
Im Hexenroman «Amanda» treffen sich dazu unzufriedene,kritisierende, «hexische» Weiber. In Chemnitz wird ebenfallsordentlich getafelt und getagt. Ein Ergebnis sind die Gedenktage vom22. bis 24. August mit Einweihung eines Kunstwerks zu IrmtraudMorgner. Dabei handelt es sich nicht um ein Denkmal im üblichenSinne. Die Künstlerin Janet Grau entwarf dazu eine multimedialeInstallation für die Stadtbibliothek.
(irmtraud-morgner.de)
ddp/cga/fgr
151035 Aug 08