Literatur Literatur: Der reisende Artist

Wurzen/ddp. - Joachim Ringelnatz (1883-1934), der mitbürgerlichem Namen Hans Gustav Bötticher hieß, saß stets der Schalkim Nacken. Etwa 1000 lustige und hintersinnige Gedichte sind von demkleinen Mann mit den krummen Beinen und der markanten langen Nasebekannt. Am 7. August wird im sächsischen Wurzen, der Geburtsstadtvon Ringelnatz, mit Ausstellungen, Lesungen und anderenVeranstaltungen der 125. Geburtstag des Dichters gefeiert.
Der dort ansässige Ringelnatz-Verein will die Öffentlichkeit damitauch auf die weniger bekannten Seiten des Multitalents aufmerksammachen. Denn Ringelnatz verfasste nicht nur freche Gedichte überseine berühmte Kunstfigur Kuttel Daddeldu, zwei Ameisen in Hamburgoder seine große Liebe und die Kachel aus seinem Ofen. Er war auchein leidenschaftlicher Maler und Kabarettist. Mehr als 70 Bilder hater gemalt. Die meisten sind in Privatbesitz. Ringelnatz bezeichnetesich selbst im Telefonbuch als «reisender Artist», zog von Stadt zuStadt, um seine amüsanten Gedichte vorzutragen und manchmal danachseine Gemälde zu verkaufen.
«Die Bilder haben alle ein kleines Geheimzeichen hinter seinemSignum. Das spricht für ihre Echtheit», sagt die Vorsitzende desRingelnatz-Vereins, Angelika Wilhelm. Einige davon hat der Verein fürdas städtische Museum in Wurzen erworben. Es verfügt über diebedeutendste Ringelnatz-Sammlung weltweit.
Seit kurzem ist auch ein sehr persönliches Bild von Ringelnatz inseiner Geburtsstadt zu sehen: «Beschaulichkeit» nannte derwortgewandte Poet das Ölgemälde, auf dem er seine Toilette mitsamteiner Nutzerin für die Ewigkeit festhielt. Es galt bis vor kurzem alsverschollen. Die Leihgabe aus Privatbesitz ist eines der Exponate,die anlässlich des Ringelnatz-Jahres 2008 in der Sonderausstellungder Galerie am Wurzener Markt und später im städtischen Museumpräsentiert werden.
Am 7. August steht die gesamte Stadt im Zeichen ihres berühmtenSohnes. Koordinatorin der Geburtstagfestlichkeiten ist WilhelmsVereinskollegin Kathleen Konrad. «Der ganze Tag besteht ausHöhepunkten», sagt sie. So werden Nachfahren von Ringelnatz demMuseum persönliche Erinnerungsstücke wie drei Autographen und einenRing des Dichters übergeben. Besonders für Philatelisten dürfte derSonder-Poststempel mit Ringelnatz' Konterfei interessant sein.
Er wird parallel zu einer Sonderbriefmarke herausgegeben, die dieRingelnatz-Stiftung an diesem Tag in Cuxhaven präsentiert. NebenWurzen, Leipzig, München und Berlin hatte er einige Zeit seinesLebens auch in dieser Stadt verbracht, wo er sich 1919 das PseudonymJoachim Ringelnatz zulegte.
Ebenfalls am 7. August wird in Wurzen ein Ringelnatz-Pfadeingeweiht. Insgesamt 13 Stelen stehen an markanten Orten wie seinemGeburtshaus, dem Schloss und dem Dom. Darauf erfährt der BetrachterWissenswertes über Leben und Werk des Poeten und kann einige seinerbekanntesten Gedichte nachlesen. «Das ist eine sehr gute Idee, umTouristen auf Ringelnatz aufmerksam zu machen», sagt Wilhelm.
Für sie zählt Ringelnatz zu den bekanntesten deutschen Dichternder ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. «Ringelnatz hat auch einezarte, nachdenkliche Seite», sagt Konrad. Auch die wird in denAusstellungen gezeigt - etwa in Briefen des reisenden Poeten an seineFrau.
