Landesmuseum Halle Landesmuseum Halle: Ausstellung "Alchemie - Die Suche nach dem Weltgeheimnis"

Halle (Saale) - Der Wunsch zu erkennen, was die Welt im Innersten zusammenhält, ist so alt wie die Menschheit. Eine Sehnsucht, die man seit Goethes Dichtung „faustisch“ zu nennen pflegt, obwohl sie bereits der antike Philosoph Aristoteles in seiner „Metaphysik“ thematisierte: „In der menschlichen Natur liegt der Trieb nach Erkenntnis.“
Das Zitat steht als Motto am Anfang der Ausstellung „Alchemie – Die Suche nach dem Weltgeheimnis“, die am heutigen Freitag ihre Pforten im Landesmuseum für Vorgeschichte Halle öffnet.
Die von Jens Brauer kuratierte Schau gibt einen Einblick in die Geschichte der Alchemie, jener Naturphilosophie, aus der sich, beginnend im 17. Jahrhundert, die moderne Naturwissenschaft entwickelte.
Wären vor vier Jahren in Wittenberg nicht die Überreste einer Alchemisten-Werkstatt ausgegraben worden, gäbe es die aktuelle Ausstellung in Halle nicht. Die Gerätschaften, die in einer Abfallgrube an der Franziskaner-Klosterkirche entdeckt und in zwei Jahren aufwendig rekonstruiert wurden, bilden das umfangreichste Inventar eines alchemistischen Labors, das nördlich der Alpen ans Tageslicht kam.
Einmaliger Fund aus Wittenberg in der Ausstellung „Alchemie – Die Suche nach dem Weltgeheimnis“ im Landesmuseum Halle
Dieser einmalige Fund ist Teil einer ausstellungsarchitektonisch bemerkenswerten Installation im Zentrum der Schau: Auf einer riesigen Glasplatte sind gläserne Retorten, Destillierkolben und Stangengläser aus dem Wittenberger Fund gruppiert.
Zur Ausstellung erscheint ein Begleitband, der sich mit zahlreichen Abbildungen sowohl der Ausstellung widmet als auch Tagungsband zu einem Symposium ist, das im vergangenen Jahr zum Thema „Alchemie“ stattfand. Zudem ist eine Broschüre zur Ausstellung erhältlich. Vielfältig ist auch das Begleitprogramm zur Schau. Es listet eine Vortragsreihe mit neun Terminen, Kuratorenführungen, Führungen mit Laborbesuch sowie Familiennachmittag und eine Winterferienwerkstatt auf. Bei „Alchemie an Fürstenhöfen“ hat man an sieben Terminen Gelegenheit, nicht nur in fürstliche Laboratorien zu blicken, sondern auch einen kulinarischen Selbstversuch zu starten.
Die Wittenberger können zudem mit der Hoffnung leben, dass der Fund aus ihrer Stadt wieder den Weg dorthin findet. Laut Archäologe Alfred Reichenberger sei eine Leihgabe möglich, wenn in der Lutherstadt die räumlichen, konservatorischen und finanziellen Mittel für eine Präsentation gefunden werden. Es ist auch im Interesse des Landesmuseums, wenn die Exponate nach der Ausstellungszeit nicht im Magazin verschwinden. Drei Gefäße, so Reichenberger, seien aktuell schon ausgeliehen und befinden sich in der Luther-Ausstellung, die das Land nach Minneapolis und Atlanta geschickt hat.
Unter dem Glastisch ist eine allegorische Darstellung der sieben Stufen zur Herstellung des Steins der Weisen aus dem 15. Jahrhundert zu sehen, darüber ein Foto des Teilchenbeschleunigers am CERN in Genf, der Erkenntnisse zum Aufbau der Materie und des Universums liefern soll.
Der Spannungsbogen, der aus diesem Gegenüber resultiert, könnte lauten: Mögen sich die Mittel und Methoden der Forschung in 500 Jahren auch gewandelt haben, in der Alchemie wie in der Atomphysik ist die Sehnsucht nach Erkenntnis die Mutter allen Tuns.
Die Schau will nicht nur die Geschichte der Alchemie veranschaulichen, wie Brauer betont, sondern auch mit einem Mythos aufräumen: Alchemisten waren nicht nur Scharlatane und Schwindler, die glauben machen wollten, Gold herstellen zu können.
Wie die Wittenberger Funde belegen, dienten die Forschungen der dortigen Alchemisten, von denen keine Namen überliefert sind, der Herstellung von pharmazeutischen Grundsubstanzen als Basis von Arzneien. Das belegen Anhaftungen an den Glaskolben wie etwa Quecksilber.
Letzteres diente damals zur Behandlung von Syphilis, die im 16. Jahrhundert als „Franzosenkrankheit“ bezeichnet wurde und in ganz Europa grassierte. Die Suche nach Heilmitteln war also ein zentraler Antrieb alchemistischer Forschung.
„Alchemie – Die Suche nach dem Weltgeheimnis“ im Landesmuseum Halle zeigt, dass die Alchemisten nicht im Verborgenen arbeiten mussten
Alchemisten mussten deshalb auch nicht im Geheimen arbeiten, wie ein landläufiges Vorurteil wissen will, sondern sie genossen durchaus großes Ansehen. Paul Luther, der Sohn des Reformators, war sowohl Mediziner als auch Alchemist.
Eine Passion, die er mit seinem Dienstherren, August I. von Sachsen (1526-1586), teilte, dessen Leibarzt Luther war. August hatte in Schloss Annaburg nicht nur ein Labor einrichten lassen, sondern war selbst Alchemist. So besaß der Kurfürst einen Ofen für Experimente mit Metallen, der auch in Halle zu sehen ist.
Von diesem Punkt führt die Ausstellung in gut nachvollziehbaren und sehr schön illustrierten Schritten in die Neuzeit, in der sich - nachdem die Alchemie den Boden bereitet hatte - eigenständige wissenschaftliche Disziplinen wie Chemie, Pharmakologie und Physik herausbildeten.
Die Erfindung des Rubinglases war ebenso ein Ergebnis alchemistischer Versuche wie die Entdeckung des chemischen Elements Phosphor. „Auch deshalb sollte man nicht arrogant auf die Alchemie herabsehen“, empfiehlt Jens Brauer.
So wird auch sinnfällig, warum der Teilchenbeschleuniger im schweizerischen CERN am Ende der Ausstellung steht: Weil die Suche nach transatomaren Partikeln für die Forschung im 21. Jahrhundert das ist, was im 16. Jahrhundert für die Alchemisten der Stein der Weisen war: Eine Substanz, der der Ruf vorauseilt, eine Art Allheilmittel und damit das Ziel allen wissenschaftlichen Strebens zu sein.
„Die Alchemie ist eine Welt für sich, aber in sich schlüssig“, sagt Brauer. Nach dem Rundgang versteht man, was der Kurator meint.
Bis zum 5. Juni 2017, Di-Fr 9-17 Uhr sowie Sa/So 10-18 Uhr