Kunstfälscher-Skandal Kunstfälscher-Skandal: 35 Millionen Euro Schaden

Berlin/dapd. - Kriminalhauptkommissar René Allonge ist nichtleicht aus der Ruhe zu bringen, aber heute ist er aufgeregt. Allongeleitet die Abteilung Kunstdelikte beim Berliner Landeskriminalamtund steht am Freitagvormittag im Gemälde behangenen Gobelinsaal desBode-Museums. Vom Rednerpult blickt er in die mit gespannterErwartung gefüllten Gesichter von Kunstexperten und Journalisten.Erstmals will er der Öffentlichkeit erzählen, wie er und sein Teamden spektakulärsten Kunstfälscher-Skandal der deutschenNachkriegsgeschichte aufdeckten.
Mitte der 90er-Jahre hatten die angeblichen Meisterwerke von 1906bis 1926 der fiktiven «Sammlung Werner Jägers'» und «SammlungWilhelm Knops» für Aufregung auf dem internationalen Kunstmarktgesorgt. Tatsächlich aber hat der Kunstfälscher Wolfgang Beltracchidie Gemälde im Stile von Max Ernst, Heinrich Campendonk, MaxPechstein, Kees van Dongen und Fernand Léger selbst gemalt und fürMillionen als Kopien oder deren vermeintlich unbekannte Werkeverkauft. Erst 2006 flogen er und seine Frau Helene auf.
Zwtl.: Ermittler unterschätzten Ausmaß
Damals ersteigerte eine Firma auf Malta beim Kölner KunsthausLempertz das «Rote Bild mit Pferden», angeblich von HeinrichCampendonk, für eine Rekordsumme von 2,8 Millionen Euro. DieMalteser entdeckten aber, dass sie eine Fälschung gekauft hatten undklagten. Im Oktober vergangenen Jahres wurde das Ehepaar in Köln mitzwei Komplizen wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs zu mehrjährigenHaftstrafen verurteilt.
«Aber wir haben das Ausmaß des Falls anfangs unterschätzt, wirkonnten uns das nicht vorstellen», räumt KriminalhauptkommissarAllonge an diesem Freitagvormittag ein. Mittlerweile wisse er sichervon 53 gefälschten Gemälden mit einem Verkaufswert von über 35Millionen Euro. Aber auch mehr als 20 bisher nicht zugeordneteFälschungen, die in den 90er Jahren aufgetaucht waren, schreiben dieBeamten nun Beltracchi zu. «Und wahrscheinlich gib es noch mehr,vielleicht sogar an die hundert», sagt er. Im Internet gibt es eineDatenbank, auf der die Fälschungen gesammelt werden.
Erstmals gibt Allonge Details preis, wie die Ermittler denFälschern auf die Spur kamen. «Über Farbpigmente und Holzrahmen»,sagt er dem staunenden Publikum. Die Fälscher benutzten Klebstoff,den es noch nicht gab, als die Leinwände angeblich auf die Rahmengespannt wurden. Zudem untersuchten Forscher des DeutschenArchäologischen Instituts einige Holzrahmen. Ihr Urteil: Die Bäumewaren zwar alt genug, wuchsen aber in derselben Gegend. «Damithätten der Franzose Léger und der Deutsche Pechstein bei demselbenHändler gekauft, das ist so gut wie ausgeschlossen», sagt Allonge.Im Labor fand man zudem Titanweiß, das damals noch nicht zum Malenverwendet wurde.
Zwtl.: Kunstfälscherin posierte als eigene Großmutter
Dabei hatten die Beltracchis zu allen Tricks gegriffen, umSammler und Kuratoren von der angeblichen Echtheit der Gemälde zuüberzeugen. So verkleidete sich Helene als ihre eigene Großmutter,um sich im historischen Kostüm vor den Fälschungen fotografieren zulassen. Die auf alt getrimmten Fotos wurden dann präsentiert, um dieEchtheit der Gemälde zu beweisen. «Dumm nur, dass auf dem Tisch imHintergrund eine Statue stand, die sie nachweislich erst 2003erstanden hatte», sagt Allonge.
«Wir müssen Lehren aus der Sache ziehen», sagt derKunstsachverständige Frithjof Hampel selbstkritisch nach dem Vortragdes Hauptkommissars und fordert, «die innere Logik eines Werks zuhinterfragen und öfters den Kontakt zu den Laboren zu suchen». Auchder Kriminalbeamte hält mehr Laboruntersuchungen für sinnvoll.«Allerdings sind die mit bis zu 3.000 Euro recht teuer und es gibtnicht viele Labore. Es wird Engpässe geben», prophezeit Allonge.
Die Beltracchis und ihre Komplizen erschwindelten sich mitgefälschten Gemälden Millionen. Das Ehepaar besaß ein luxuriösesAnwesen in Freiburg, einen Landsitz in Südfrankreich und eineWohnung in Andorra. Er hoffe, dass die internationale Zusammenarbeitder Behörden künftig etwas besser klappt, sagt Allonge. «DieFranzosen wollten ihre Gerichtsferien nicht für eineHausdurchsuchung unterbrechen, sonst hätten wir dort schon früherzugegriffen.» Und die Notwendigkeit für internationale Kooperationwerde es in dem Fall weiter geben, sagt Allonge und fügt hinzu: «Essind mit Sicherheit noch weitere Fälschungen auf dem Markt».
