Krimi Krimi: Von Paten, Bimbes und Benzin
Halle/Leuna/MZ. - Das Leben schreibt doch immer noch die besten Krimis, mag sich Ulrich Wickert gedacht haben. Der frühere Moderator der ARD-Tagesthemen, nach seinem Abschied vom Bildschirm auferstanden als Krimi-Autor, nimmt sich in seinem neuen Buch "Der nützliche Freund" der Leuna-Affäre an, die Ende der 90er Jahre mit einem Riesenknall platzte und dabei die Republik erschütterte. Wickerts Held ist diesmal wieder der französische Untersuchungsrichter Jacques Ricou, der schon in "Der Richter aus Paris" mit unkonventionellen Ermittlungsmethoden in der Grauzone der Politik herumstöberte. Hier nun stößt der Frauenliebhaber und Gourmet beim Café créme ins Wespennest rund um den Verkauf der Leuna-Raffinerie an den französischen Staatskonzern Elf, der bei Wickert "France-Oil" heißt: Ein Insider kündigt Enthüllungen über geheime Geldflüsse an. Wenig später ist er tot, ein Zeuge auf der Flucht und Jaques Ricou mittendrin in einem neuen Fall.
Der war im Original ein besonders spannendes Stück deutscher Vereinigung. Im Zuge der Privatisierung des DDR-Vermögens hat der französische Elf-Konzern die Leuna-Raffinerie von der Treuhandanstalt gekauft, wie das der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl und sein französischer Amtskollege Mitterand verabredet hatten. Anschließend flossen dann nach Erkenntnissen französischer Ermittler Schmiergelder in Millionenhöhe an deutsche Parteien, doch nur in Frankreich wurden etliche Beteiligte verurteilt. In Deutschland wurden alle Ermittlungen eingestellt, nachdem beim Regierungswechsel von Kohl zu Schröder zahlreiche Akten verschwunden waren. Die Lobbyisten Dieter Holzer Ludwig-Holger Pfahls gelten heute als Alleinschuldige - sie bewegten 130 Millionen Euro zwischen Liechtensteiner Trusts, Schweizer Banken und Offshore-Firmen.
Nur warum weiß man nicht - und auch Wickert, der die Ereignisse gründlich recherchiert hat, bleibt die Antwort schuldig. Statt Enthüllungen gibt es bei ihm hölzerne Figuren, die in groben Kulissen kantige Dialoge sprechen. Gut und Böse sind wie mit dem Stechbeitel gezeichnet. Atmosphäre kommt nur auf, wenn es ums Essen geht - aber das geht es oft, weil Paris eine Stadt ist, in der gern gut gegessen wird.
Die Aufklärung des Falles, der im wirklichen Leben bis heute rätselhaft geblieben ist, findet denn auch eher nebenbei statt. Eine Spur führt nach Leipzig, eine schöne Staatsanwältin kommt nach Paris. Was dann knistert, sind nicht alte Treuhand-Akten, sondern fleischliche Begierden; was dann duftet ist nicht die dicke Leuna-Luft der Wendezeit, sondern französischer Tartar mit Dijonsenf.
Ein kulinarischer, kein dokumentarischer Krimi ist das. Zwischen zwei Essen wird gemordet, dann telefoniert, es gibt Sex und dann den nächsten Mord. Zwar fließen die Millionen hin und her, aber an wen und warum, das bleibt auch in der Fiktion unaufgeklärt. Die Rollen der skrupellosen Bösewichter hat Ulrich Wickert deshalb auch weder mit deutschen Bimbes-Politikern noch mit französischen Staatsmanagern besetzt. Stattdessen gibt es ein paar absolut gewissenlose Schweizer Banker, die aus jedem Comic-Heft fliegen würden, weil sie eindimensional wie Strichmänneken sind.
Mehr Klischee war nie im Krimi als hier, wo Sätze stehen wie "blutrot ging die Sonne im Westen unter". Der Showdown ähnelt schließlich dem, was in der Leuna-Kantine zu DDR-Zeiten unter dem Namen Soljanka angeboten wurde. Alles drin, alles dran: Die SED-Milliarden sind da, die alten Seilschaften, die Stasi, die Mafia und neureiche Wendegewinner, verbündet mit skrupellosen amerikanischen Wissenschaftlern, die Gehirne löschen können, es aber diesmal zum Glück nicht schaffen. Happyend endlich im Kuschelbett. "Ich liebe Dich", spricht der Untersuchungsrichter, als wäre es das richtige Leben.