«Köthener Quadrate» «Köthener Quadrate»: Quadratur des Landkreises
Köthen/MZ. - Ermutigendes Zeichen
Ob das Kunstprojekt auch den eigenen Ansprüchen genügt, kann nunmehr das Publikum entscheiden. Heute wird in der Martinskirche unweit vom Bahnhof die Ausstellung besagten Titels eröffnet. Das ist nicht das einzige ermutigende Anzeichen, wie Leben in das elegante Bauwerk zurückkehrt, das Mitte der 80er Jahre außer Dienst gestellt wurde. Abgesehen vom Jugendklub im angeschlossenen einstigen Haus des Kirchendieners ist es seit Jahren Verfall und Verwahrlosung preisgegeben.
Es konnten wohl nur unorthodox denkende Leute auf Ideen kommen, wie die Kirche noch zu retten wäre. Wenn Kunstvereinsvorsitzender Achim Kuhn unter der kühn geschwungenen Kuppel die Gäste der Vernissage begrüßt, so wird er vermutlich auf den örtlichen Niederlassungsleiter der "Parität", Uwe Raubaum, und den ebenfalls in der Stadt angesiedelten Diplomingenieur Michael Zimmer verweisen. Beide sind die treibenden Kräfte hinter einem öffentlich geförderten Ausbildungsprojekt für Jugendliche aus dem Landkreis, die nach rigorosen Standards der Denkmalpflege nicht den Kirchenraum, wohl aber die Treppenhäuser zur Empore und das Pendant zum Kirchendienerhaus, die ehemalige Pfarrei, sanieren helfen.
Mit wie viel Akkuratesse das geschieht, das zeigen auch die Stellwände, die sie für die Ausstellung gleich mitgezimmert haben. Spätestens am 9. September, dem Tag des offenen Denkmals, sollten die Besucher wiederkommen, um anzusehen, was sonst noch erreicht worden ist. Im Pfarrhaus, das die Köthener Fachhochschule als Studentenclub nutzen will, sind die historischen Türen und Fenster aufgearbeitet, die Fenster neu verglast, die Kellerräume abgesenkt, Abwasserleitungen gelegt, Wände und Decken verputzt worden. Mehr als 130 junge Leute, teils ohne Schulabschluss, sind bisher hier gefördert und auch fast zu einem Drittel in Handwerksbetriebe vermittelt worden. Das wäre also ihr Beitrag zum potentiellen Kulturzentrum Martinskirche.
Und der Kunstverein und seine "Quadrate"? Nun, er hat aus einer etwas konstruierten Idee einen gemischten Erfolg gemacht. Insgesamt 54 Künstlern wurden Quadrate aus Holz in 50 Zentimeter Kantenlänge geschickt, woraus sie ein beziehungsreiches Werk schaffen sollten. Der mit Köthen eng verbundene Bildhauer und Maler Bernhard Matthes aus Hattingen traf eine eigene Auswahl international angesehener Kollegen; darüber hinaus durften die zwölf Partnerstädte des Landkreises je zwei Teilnehmer ernennen.
Reiz der Variationen
Die Vorteile einer gezielten Kuratorenschaft sind denn auch unübersehbar. Denn die Arbeiten der eingeladenen Künstler lassen durchblicken, wie sie von der Aufgabe tatsächlich angeregt waren. Der Reiz liegt in den Variationen zum Thema. Und da wurde in Malerei, Grafik, Plastik, Collage und sonstigen Medien das Quadrat gedreht, gefüllt, geäschert, zerstückelt, zersägt, zerbrochen. Mit sichtlicher Lust wird der Symbolcharakter unterminiert, überhöht oder in Frage gestellt. Der Grafiker Bernd Hennig, Professor an der Hochschule Anhalt, wird an Renaissance-Studien von der idealen Proportion erinnert, der Koreaner Jinmo Kang an das Prinzip von Yin und Yang. Der Tscheche Pavel Korbicha liefert eine Kopie des originalen Quadrats, aber auf einem Hohlkörper mit aufgeklebter Fotofolie der Holzstruktur. Sein Kollege Ondrej Kohut meuchelt das Quadrat mit Eisenstangen.
Derlei Sinnspiele auf konstanter Flughöhe liegen aber den meisten der Künstler aus den Partnerstädten fern. Bei ihren Arbeiten, versammelt auf der Empore, verliert sich das gestellte Ziel nicht selten auf dem anstrengenden Weg dorthin. Der Landkreis, so lernt man, erreicht mit seinen auswärtigen Beziehungen auch manch ehrbaren Künstler; aber mehr erfährt er von denen, die er auf sich aufmerksam macht.
Eröffnung am Freitag um 19 Uhr, danach bis 2. Oktober Di-So 11-18 Uhr. Katalog 10 Euro, gebunden 25 Euro