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Königin Luise Königin Luise: Im Bett mit Madonna

Von CHRISTIAN EGER 23.04.2010, 17:29

BERLIN/MZ. - Kaiser und Königin: Sie hatten einander wenig zu sagen. Und das wenige, das sie übereinander sagten, fiel drastisch aus. Napoleon hatte Preußen im Herbst 1806 zu Boden gerungen - und dessen Staatsboden auch noch um die Hälfte verkleinert. Luise, die preußische Königin, galt ihm als eine "blutrünstige Amazone", in der er seine "größte Feindin" auszumachen meinte. Die sah in Bonaparte einen "Teufel in Menschengestalt", einen Aufsteiger, der "sich aus dem Kot emporgeschwungen hatte".

Es war Hass, der diese beiden Menschen verband. Als Napoleon 1806 Berlin besetzte, bezog er wie selbstverständlich das Schloss Charlottenburg, um sich der Privatgemächer Luises zu bemächtigen. Es musste das Bett seiner Feindin sein, in dem er zu ruhen gedachte. Luise war zu diesem Zeitpunkt mit ihrem Königsgatten längst "jwd", nämlich mit Friedrich Wilhelm III. "janz" weit draußen in Ostpreußen.

Dort sollte Luise am 6. Juli 1807 leibhaftig auf Napoleon treffen, den sie "um Gnade" für Preußen bitten wollte. Um die Rückgabe der linkselbischen Gebiete, wenigstens aber um die Festung Magdeburg. Als es am Abend zu Tisch ging, soll Napoleon der Königin eine Rose gereicht haben. "Ja, aber mit Magdeburg!" habe diese ihm geantwortet. Oder: "Nicht ohne Magdeburg!" Vielleicht etwas zu schnippisch. Vielleicht etwas zu kindisch. Kurzum, sehr Luise-haft. In diesem Moment war das Gespräch gescheitert.

Nun steht Luises Bett wieder da: frisch bezogen im Schloss Charlottenburg. Genauer - ein Bettchen. Viel zu klein jedenfalls für die vielen Neugierigen, die sich dieser Tage an der Empire-Nussschale vorbeischieben. Durch Luises Wohnung, die 1943 in Flammen aufging und seit den 90er Jahren rekonstruiert wurde. Eine kürzlich wiederentdeckte Inventarliste von 1810 machte es möglich, die Räume originalgetreu einzurichten.

Denn die Möbel waren nie verschwunden, sondern ausgelagert. Nun steht alles wieder an seinem uralten Platz. Ein wahrer Budenzauber im Namen Luises, der erstmals komplett im Zuge der Ausstellung "Leben und Mythos der Königin" zu besichtigen ist; noch zwei Ausstellungen sollen folgen in diesem 200. Todesjahr Luises. Ob Schreib- oder Waschtisch: Alles wirkt wie auf einer Theaterbühne arrangiert. Die alten Möbel sind da, aber die Aura der Zimmer fehlt.

Im Fall der Königin indes, die am 19. Juli vor 200 Jahren gestorben ist, verhält sich das genau andersherum. Nur noch die Aura ist da, nur noch ein Kokon von Legenden, vorsätzlich erzeugt seit der Gründung des Kaiserreiches 1871. Luise, Prinzessin von Mecklenburg-Strelitz, 1776 in Hannover geboren und 1793 mit dem künftigen preußischen König verheiratet, ist eine von politischen und ideologischen Verwertungs-Klischees zugepflasterte Person, die als Persönlichkeit gar nicht mehr kenntlich ist. Die Ausstellung bildet Station für Station Luise als Idealtyp ab: also "Die Schöne", "Die Mutter", "Die Amazone" - und so einfallslos fort. Wobei wir davon ausgehen dürfen, dass von all diesen Bildern nur das der "Schönen" seine Wahrheit hat.

Über die Umwidmung dieser einst offenbar durchaus lebenslustigen Frau in den ideologischen Popanz einer "Preußischen Madonna" ist schon viel geschrieben worden, am erhellendsten von Günter de Bruyn ("Preußens Luise", 2001). "Schönheit und Anmut mußten selten gewesen sein auf preußischen Thronen", versuchte er seinen Lesern die Verehrung zu erklären. Die Ausstellung im Schloss Charlottenburg ist eine Wohlfühl-Schau neuer Schule. Das heißt: bunt und marktgängig. Von Analysen wird der Besucher nicht behelligt. Man tut so, als würde man dem Mythos Luises auf die Spur kommen, tatsächlich geht man diesem auf den

Leim. Man lebt von diesem, indem man nichts anderes zeigt als dessen Zeugnisse und Folgefabrikate.

Ein Haus der 1 000 Luisen-Dinge: Schadows Prinzessinnengruppe, Luises Trauring und Luises Haarlocken. Luisen-Spielfilme, Luisen-Poster und eine Büste von DJ Marusha im Luisen-Dekor. Kaum originale Bücher aus dem Besitz der Königin, denn Luise las nicht viel. Sie liebte nur, "was zum Herzen spricht". Am liebsten wollte sie "alle Bücher in die Havel werfen", die durch Wissen die Empfindsamkeit zu beeinträchtigen suchten.

Man erhält inmitten der Kitschbilder kein Bild von dieser Frau. Nur Ahnungen: Die sind nicht wirklich sympathisch. Diese zeigen eine eher schlichte, mutwillige, schnell hochfahrende Natur. Eine Frau, für die es bis heute nur ein sentimentales Interesse gibt.

So ist denn auch jene Rose zu sehen, die Luise angeblich nicht ohne Magdeburg haben wollte: Im Gipsmodell eines 1899 von Gustav Eberlein für die Stadt Magdeburg geschaffenen Denkmals. Das zeigt Luise - die Rose in der Hand - seitlich vor Napoleon. Der steht neben der steifen Schaufensterschönheit wie ein trotziges Kind. Wahrscheinlich war es andersherum.

Schloss Charlottenburg: bis 30. Mai. Mo, Mi, Fr, Sa, So 10-18, Di 12-18 Uhr, Do 10-21 Uhr. Zum Rundgang gehören die Wohnräume und das Mausoleum der Königin.