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Klassik Klassik: Ständchen für Bach zur eigenen Freude

Von Eckehard Pistrick 22.03.2005, 17:52

Köthen/MZ. - Dazu serviert wurde ein Pianist, der mit seinen Bach-Interpretationen zwar die Kritiker spaltet, aber niemanden unberührt lässt: Martin Stadtfeld. Der junge Mann, schon ein Star, versucht abseits der Etablierten seines Faches zu einer eigenständigen Interpretation der "Goldberg-Variationen" zu finden. Ihn reizt an Bach spürbar das Minimalistische und das Phantastische.

Gestreichelte Saiten

Stadtfeld entdeckt in Bachs Läufen seine eigene Musizierfreude. Seine Lesart von Bachs letztem großen Meisterwerk ist eindeutig postmodern. Er streichelt Bachs Variationen förmlich aus den Saiten und bedient sich besonders in den einleitenden Variationen eines bewusst leichten und weichen Anschlags. Alle Verrücktheiten des Kontrapunkts versucht Stadtfeld in eine große Linie einzuordnen. Hinzu kommt sein intuitiver Pedaleinsatz - den gebraucht er, um der Musik "Farbe" zu verleihen. Damit distanziert sich Stadtfeld bewusst vom Klang eines zweimanualigen Cembalos, für das das Stück immerhin geschrieben wurde.

Mag Stadtfelds Interpretation für Reinheitsapostel auch inakzeptabel sein - er entstaubt damit nicht nur einen Klassiker, sondern passt ihn zugleich auch behutsam den Hörgewohnheiten unserer Zeit an. Und deshalb setzt Stadtfeld auf Extreme. Seine Kontraste zwischen der intimen, introvertierten Atmosphäre der Charaktervariation und der auftrumpfenden Virtuosität in den Kanons kann man kaum mehr zuspitzen. Auch in Bezug auf Tempi gibt sich Stadtfeld kompromisslos. Besonders in den Kanons entfacht er einen Tastenwirbel, in dem man die Unruhe und Nervosität unserer Zeit herauszuhören meint.

Eine beinahe visionäre Gestaltung offenbarte der Pianist in der 25. "Adagio" -Variation, die in ihrer Modernität bereits auf Chopin vorausweist. Hier erwies sich Stadtfeld als Meister der melancholischen Nuancen. Die kaum hörbar verhallenden Akkorde verwob er geschickt mit der weit gespannten Melodie und verlieh Bachs Musik damit eine selten zu hörende emotionale Wirkung.

Zeitloser Befund

Wenn man Martin Stadtfeld versunken und summend über die Tastatur gebeugt sieht, erkennt man, dass der junge Pianist weitab vom Medienrummel etwas Zeitloses in Bachs Musik gefunden hat, dass er mitteilen will. Und wenn der Pianist dann bei "Bachpfeifen" und Sekt auf Gemeinsamkeiten zwischen Bach und Gershwin zu sprechen kommt, merkt man, dass für ihn Johann Sebastian Bachs Musik immer noch voller Überraschungen ist.