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Kinostart: 16. Juni Kinostart: 16. Juni: «Das Leben ist ein Wunder»

Von Christian Kamp 09.06.2005, 12:38
Natasa Solak als Sabaha und Slavko Stimac als Luka in einer Szene aus Emir Kusturicas Burleske «Das Leben ist ein Wunder». Im Jahre 1992 verschläft der geistig etwas unterbelichtete Ingenieur Luca ( Slavko Stimac) den Ausbruch des Bosnienkrieges. Erst als sein Sohn Milos gefangen genommen wird, dämmert es. (Foto: dpa)
Natasa Solak als Sabaha und Slavko Stimac als Luka in einer Szene aus Emir Kusturicas Burleske «Das Leben ist ein Wunder». Im Jahre 1992 verschläft der geistig etwas unterbelichtete Ingenieur Luca ( Slavko Stimac) den Ausbruch des Bosnienkrieges. Erst als sein Sohn Milos gefangen genommen wird, dämmert es. (Foto: dpa) Concorde filmverleih

Berlin/dpa. - Dazwischen liegt Kusturicas Achterbahnfahrt durch Geschichte,Landschaft und Mentalität Jugoslawiens: Im Jahr 1992 baut Luka(Slavko Stimac) an einer Bahnlinie, die eine abgelegene Bergregion imbosnisch-serbischen Grenzgebiet touristisch erschließen soll. Von denSpannungen im Vielvölkerstaat und dem heraufziehenden Krieg will dernotorische Optimist nichts wissen. Erst als sein Sohn Milos (VukKostic), der kurz zuvor zum Militär einberufen wurde, inGefangenschaft gerät, bricht die Wirklichkeit in Lukas Welt ein.

In eine schier unlösbare Situation gerät Luka, als ihm mit Sabaha(Natasa Solak) eine Geisel anvertraut wird, die gegen Milosausgetauscht werden soll: Luka verliebt sich in die bosnischeMuslimin. Kusturica beschreibt die Situation als «Trilemma»: LukasLiebe zu Sabaha, seine familiäre Bindung und die historischenUmstände überlagern sich. «Es ist ein Konflikt wie in einemShakespeare-Stück», meint Kusturica, der in Sarajevo geboren ist,aber in Serbien und Montenegro lebt. «Aus dieser dramatischen Sprachezieht der Film seine Kraft.»

Ihre wahre Wirkung gewinnt die Geschichte aber erst durch dierasante und bisweilen surreal überzeichnete Regie Kusturicas. Es istalles da, was zum Repertoire des einzigartigen Kusturica-Kinos amRande des Wahnsinns gehört: liebenswert-naive Charaktere, grotesk-bösartige Schurken, traumhafte Landschaftsbilder, eine Tierwelt außerRand und Band und nicht zuletzt jede Menge irrwitzige Musik zwischenFolklore und Punk, die Kusturica zum Teil selbst komponiert und mitseinem «No Smoking Orchestra» eingespielt hat.

Welchen Stellenwert der 50 Jahre alte Kusturica mittlerweile imeuropäischen Film genießt, zeigt seine Berufung zum Jury-Präsidentender diesjährigen Festspiele von Cannes. Dort hatte er 1985 («Papa istauf Dienstreise») und 1995 («Underground») selbst die Goldene Palmegewonnen. Mit «Das Leben ist ein Wunder» ging Kusturica imvergangenen Jahr in Cannes zwar leer aus, gewann aber 2005 denfranzösischen César für den besten EU-Film.

Kusturica wäre nicht Kusturica, wenn er dem Film nicht auch einepolitische Dimension zuschreiben würde. «Es ist ein Film über Liebeund Krieg, und es ist ein Film über Versöhnung. Er zeigt, dass nichtjeder in diesem Krieg, vor allem auf serbischer Seite, der Teufel undMörder war, zu dem er in den Medien gemacht wurde», erklärt er.Allerdings gilt auch für «Das Leben ist ein Wunder», dass KusturicasStärke als Filmemacher eher in der Darstellung menschlicher Konflikteund Schwächen als in der politischen Analyse liegt.

Als Luka nach Milos Gefangennahme seinen Optimismus und Lebensmutverloren hat, lehrt ihn der Soldat Aleksic, gespielt von KusturicasSohn Stribor, eine bittere Lektion: «Der Tod tut nicht weh, das Lebenist die Qual.» Die Liebe zu Sabaha führt Luka vor Augen, dass dasLeben trotz aller Prüfungen voller Wunder ist. Doch um das auchwirklich zu begreifen, bedarf es schon der Lektion eines störrischenEsels.