Kinostart 12. Mai Kinostart 12. Mai: «Polnische Ostern»

Berlin/dapd. - Was ist ein polnischer Triathlon? Zu Fuß insSchwimmbad gehen und mit einem Fahrrad heimfahren. Werner Graboschspolnischer Besucher Tadeusz kann über den Witz des Alten nichtlachen. Er ist gekommen, um seine Tochter Mathilda, GraboschsEnkelin, mit nach Polen zu nehmen. Doch Witwer Grabosch, der dasKind nach dem Unfalltod seiner Tochter aufgezogen hat, will diebehördliche Sorgerechtsentscheidung nicht akzeptieren. Und so trauter sich in der melancholischen Komödie «Polnische Ostern» ins Reichder Autoknacker, um Mathilda zurückzuholen.
Nach «Hochzeitspolka» (mit Christian Ulmen) treffen in derKomödie erneut Deutsche und Polen zusammen. Auch die Ressentimentssind dieselben: hie die Angst vor Autodiebstahl, das Befremden überden inbrünstigen Katholizismus und unfertige Häuser; dort bissigeAnspielungen auf die Nazis. Dank reichlich Wodka kommt es dann zurVersöhnung, gerne untermalt von Blasmusik. Immer die gleiche Platte- doch Regisseur Jakob Ziemnicki, 1975 in Polen geboren und seit1980 in Deutschland, inszeniert die Begegnung des bärbeißigendeutschen Bäckers mit Tadeusz' Familie so verhalten wievielschichtig.
Also taucht der Grummel-Opa über die Karwoche mit einerVideokamera bei Tadeusz' Familie auf, um heimlich die miesenLebensverhältnisse zu dokumentieren und die Sozialbehörden dazu zubringen, ihm das Sorgerecht für Mathilda zu übertragen. Tatsächlichlebt Tadeusz mit Tochter, Frau, Mutter und Oma in einerheruntergekommenen Wohnung in Tschenstochau. Obendrein hat erSchulden bei Schlägertypen - und irgendeiner in der Familie nimmtAnti-Depressiva. Je länger aber Griesgram Grabosch herumschnüffelt,umso mehr erwärmt er sich für die netten Leute. Zumal Tadeusz'Mutter Irene eine stattliche Frau in den besten Jahren ist.
Zwtl: Wodka und schwarze Madonna als Seelentrost
Die Handlung weist neben manch lauem Witz ärgerlicheDrehbuchlöcher auf, ist aber ganz auf Schauspieler Henry Hübchen,der Allzweckwaffe für verknautschte Charaktere, zugeschnitten. Erverleiht Biedermann Grabosch, der unter seiner rauen Schale einenweichen Kern mit einem gebrochenen Herz verbirgt, einfühlsam Kontur.Allmählich verschiebt sich dessen Fokus weg von seinem betagtenGaragen-Mercedes, den er wie seinen Augapfel hütete, hin zu zweiFrauen: zu Irene und zur Ikone der «schwarzen Madonna» vonTschenstochau. Auch sein Herzschmerz verblasst angesichts desKummers der kleinen Mathilde, die mit Hilfe ihrer religiösenStiefmutter über den Verlust ihrer Mama hinwegkommen will.
So entpuppt sich der Trip in den wilden Osten statt alskrachlederne Multikulti-Komödie als feinfühlige Schilderung vonTrauer und Trost - und als spirituelle Minitherapie. Der satirischeBlick auf katholische Zeremonien - Atheist Grabosch muss gar eineNottaufe in der Küche über sich ergehen lassen - wandelt sich zumunaufdringlichen Appell an Glaube, Liebe, Hoffnung. Ohne jefrömmlerisch zu werden: Auch Beten hilft hier nicht gegen Autoklau.
«Polnische Ostern», Tragikomödie, Deutschland/Polen 2011,Verleih: Zorro, 94 Minuten, Prädikat wertvoll, FSK: 6, Regie: JakobZiemnicki, Darsteller: Henry Hübchen, Grazyna Szapolowska,Paraschiva Dragus, Adrian Topol u.a.