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"Jason Bourne" im Kino "Jason Bourne" mit Matt Damen und Alicia Vikander: Gut dass Jason Bourne zurück ist

Von Frank Olbert 11.08.2016, 06:50
Matt Damen in Jason Bourne
Matt Damen in Jason Bourne Universal Pictures

Köln - Im Grunde ist alles wie immer. Sobald der Name Jason Bourne fällt, ist die Laune der CIA-Leute kurz vor Harakiri und sie sagen: „Oh Gott.“ Worauf sich beim Betrachter klammheimliche Schadenfreude einschleicht, weil wir wissen, dass der Inkriminierte eigentlich sehr nett ist, in der Vergangenheit schlecht behandelt und dann auch noch seines Gedächtnisses beraubt wurde – und dass er obendrein das Gesicht von Matt Damon besitzt, der irgendwo zwischen Sportskanone und College-Primus agiert. Nun ziehen sich ein paar deutliche Furchen durch dieses Gesicht. Jason Bourne, auch nur ein Mensch, ist älter geworden. Aber, wie gesagt: Status unverändert.

Im Grunde hatte er sich bereits in den wohlverdienten Ruhestand begeben und Jeremy Renner sein Vermächtnis hinterlassen. In drei Filmen hatte sich Jason Bourne zuvor zum neuen Helden der Post-9/11-Ära aufgeschwungen, zweimal unter der nervösen, paranoid aufgeheizten Regie von Paul Greengrass. Bourne-Verschwörungen und Bourne-Ultimaten waren globale Verfolgungsjagden, immer auf den Bildschirmen der gleichfalls weltumspannenden Beobachter und Aushorcher, die von Langley, Virginia aus die Geschicke der Terrorbekämpfung zu lenken versuchten. Dabei gerieten sie selbst in die Nähe des Terrorismus und hatten die Rechnung stets ohne Jason Bourne gemacht.

Einer aus den Reihen der CIA, nun aber ein Einzelkämpfer. In der realen Welt und nach Ende seiner Dienstzeit sollten ihm Querschläger wie Julian Assange und Edward Snowden nachfolgen.

Greengrass führt erneut Regie

Nun ist Matt Damon als Jason Bourne wieder da. Paul Greengrass führt erneut Regie, und obwohl alles wie immer ist, agiert dieser neue Jason Bourne ganz und gar auf einer aktuellen Bühne: Während er sich selbst an der griechischen Grenze zu Mazedonien mit illegalen Boxkämpfen durchschlägt, kommt es nicht allzu weit entfernt auf dem Athener Syntagma-Platz zum Bürgerkrieg. Assange und Snowden stehen als Symbolfiguren der digitalen Subversion grimmig im Hintergrund des Films, und ein dubioser Internet-Unternehmer beteuert auf Konferenzen, wie heilig ihm der Schutz der Persönlichkeitsrechte ist – um in Hinterzimmern und auf Druck der Geheimdienste eben deren Aushöhlung zu betreiben. Willkommen also im Wikileaks-Universum, mit Jason Bourne als gefährlichstem Whistleblower.

Ist Jason Bourne also tatsächlich in der Gegenwart angekommen? Ja und nein, kann man dazu nur sagen, denn obwohl Greengrass die politischen Rahmenbedingungen fast ein wenig zu pflichtgemäß renoviert, bleibt sein Held ganz der Alte.

Altmodisch und zeitgeistig zugleich

Noch immer leidet er an erheblichen Gedächtnislücken, die sich im neuen Film auf den gewaltsamen Tod seines Vaters ausdehnen. Noch immer ist er hochbegabt, was Schusswaffen, Autos, Motorräder, Faustkämpfe und Hilfsmittel betrifft, mit denen sich Kurzschlüsse in der feindlichen Elektronik herbeiführen lassen. Bourne ist in London ebenso zu Hause wie in Berlin, Athen oder Washington; er ist ein Weltbürger wider Willen, denn wie wir aus früheren Episoden wissen, lässt ihn die Agency noch nicht einmal gemeinsam mit Franka Potente einen Vespa-Verleih betreiben. Ständig auf der Flucht, unentwegt in Bewegung, pfeilschnell zwischen den Hauptbahnhöfen, Flughäfen und Autoverleihern dieser Erde unterwegs, so kennen wir unseren Jason Bourne, so lieben wir ihn ja auch – aber so wie die Großwetterlage, durch die er sich kämpft, hätte Paul Greengrass auch seinen Protagonisten ein wenig modernisieren können.

So wirkt „Jason Bourne“ auf eine nicht immer stimmige Weise altmodisch und zeitgeistig zugleich. Es ist kein Wunder, dass nicht der Titelheld die prägnanteste Figur abgibt, sondern seine Gegenspielerin, die von Alicia Vikander gespielte CIA-Überwachungsspezialistin Heather Lee. Zwar wird die Spitze der Behörde noch immer von knorrigen alten Männern beherrscht, von Robert Dewey (Tommy Lee Jones) allen voran – und doch bietet Heather der Herrenriege selbstbewusst die Stirn, ja, sie hat die Courage, sich über Befehle hinwegzusetzen. Zur Hilfe kommt ihr dabei eine überragende Souveränität im Umgang mit globalen Kommunikations- und Spionagesystemen, vor allem aber moralische Integrität, an der sie festhält, auch wenn alles gegen Grundsätze spricht – das hat sie mit Jason Bourne gemeinsam. Heather Lee ist im Apparat der CIA das, was in der Sphäre des Cyber-Kriegs ein sich selbst aktivierendes Programm bedeutet. Das macht diese Figur im Film zu dem Charakter, der am überzeugendsten die neuen Zeit repräsentiert.

Gewinn für die „Bourne“-Reihe

Einen Gewinn für die „Bourne“-Reihe bedeutet Heather Lee freilich auch deshalb, weil sie mit Alicia Vikander von einer der schönsten Schauspielerinnen dargestellt wird, die der Planet derzeit aufzubieten hat. Das bedeutet freilich nicht, dass sie den Rest der Belegschaft komplett an die Wand spielen würde: Auch wenn es im Verhältnis von Innovation und Tradition in „Jason Bourne“ mitunter knirscht – die Fortsetzung der Reihe ragt weit über das meiste hinaus, was das Thrillerkino meistens bietet.

Wenn die Schurken wie die Retter, und die Gesetzeshüter als die eigentlichen Verbrecher dastehen, dann hat Greengrass auch dieses Mal wieder sehr vieles richtig gemacht: Flüchtlinge an der griechischen Grenze, ein Digital-Guru im Spielerparadies von Las Vegas, das bald in Schutt und Asche liegt, dazu ein namenloser CIA-Ausputzer, den Vincent Cassel  mit der Unerbittlichkeit eines Gesetzlosen aus dem Western spielt –  die Welt, die hier in atemlosen Schauplatz-wechseln dargestellt wird, gerät wahrhaftig aus den Fugen. 

Was kann man wissen, inwieweit ist man angesichts mächtiger Institutionen und gesellschaftlicher Bedrohungen Herr über die eigene Biografie, über die Unversehrtheit der Erinnerung? Das sind die Fragen, die Jason Bourne einstmals im spannungsvollen Zusammenspiel mit der CIA-Einsatzleiterin Pamela Landy zu klären versuchte. Seine neue Sparringspartnerin heißt Heather Lee, und es spricht vieles dafür, dass diese beiden eine gemeinsame Zukunft haben. Matt Damon ist dabei so zuverlässig, bodenständig und unberechenbar, wie man es bei einem Outlaw wie Jason Bourne erwarten darf. Gut, dass er zurück gekehrt ist. Die unübersichtliche Welt der Whistleblower kann einen alten Haudegen und Wahrheitssucher wie ihn brauchen.

Das Kino sowieso.