In der Oper Leipzig In der Oper Leipzig: Prinzen mal sinfonisch

Leipzig - Gleich am Anfang gelingt er, jener dramaturgische Kniff, der dieses Prinzen-Experiment zu großartiger Unterhaltung adelt.
Kaum hebt sich das Gewandhausorchester Leipzig unter der Leitung von Opernintendant Ulf Schirmer in ästhetische Klangwelten, schon kreuzen und lockern die Prinzen mit dem spitzbübischen Florett der Ironie. Sebastian Krumbiegel, die Igelfrisur wie gewohnt wetterfest, ist in Plauderlaune: „Wir sind sieben fruchtbare Täler in den Bergen der Hochkultur.“
Tobias Künzel, die volle blonde Matte scheint jedem Sturm gewachsen, schenkt kräftig nach: „Heute war der MDR da, das ist unser Durchbruch.“ Schwupps sind die Herzen erobert.
Der ausgerollte Sympathie-Teppich hält den ganzen Abend. Man stelle sich einmal vor, die singenden Prinzen Henri Schmidt, Jens Sembner und Wolfgang Lenk sowie der Bassist Matthias Dietrich und der Schlagzeuger Ali Zieme würden sich selbst und ihren Flirt mit der Hochkultur allzu ernst nehmen.
Augenfällig, wie Schmidt seine Schalke-04-Pulle platziert. Toll, wie Lenk die Partituren für das Orchester präpariert hat. Und eine Demut, die Krumbiegel, Jahrgang 1966, so ausdrückt: „Es gibt auch Leute, die mit uns studiert haben und heute arbeitslos sind.“
Ab und an wirkt das, was die beiden Einheizer Künzel und Krumbiegel zu Lasten der eigenen Performance vorbringen, wie eine schnurrende Comedy-Show, die dem Pop- und Schlagerhimmel mal so richtig die Meinung geigt.
Der Funke sprüht, das Orchester und der Chor der Oper Leipzig führen über die Klippen sexueller Anspielungen, sie rahmen das Ganze selbst dann flauschig, wenn „Brecht“ auf „schlecht“ oder „Sachsen“ auf „Schweinshaxen“ gereimt wird.
Natürlich ist das Gefälle zwischen dem A-Cappella-Gesang der Prinzen und den Einspielungen von Richard Wagners Walkürenritt oder Verdis Gefangenenchor enorm. Dennoch, Krumbiegel versichert: „Uns wird nicht die Haltung vermittelt, dass wir nur die Pop-Fuzzis sind.“
Mittendrin sind jene Hits, die die Prinzen zum gesamtdeutschen Erfolg führten. ,„Du musst ein Schwein sein“, „Überall“, „Alles mit dem Mund“, „Millionär“, „Bombe“, „Küssen verboten“, „Gabi und Klaus“, „Mann im Mond“, „Alles nur geklaut“.
Die Liste der Songs, mit persönlichen Rückblicken verbunden, ist lang. Manchmal reicht ein Wort und schon perlt diese Mentalität, die man so gern als ostdeutsch einstuft, aus dem Tonsatz der Ex-Thomaner, im Song „Überall“ heißt die Kita noch Kindergarten.
In Zeiten, da Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, die westdeutsche Dominanz in den Elitestellungen des Ostens als „kulturellen Kolonialismus“ bezeichnet, kann der schelmische Prinzen-Blickwinkel als widerständig gelten.
So wird eine Nummer wie „Es war nicht alles schlecht“ zur subtilen Botschaft. Oder wie es Krumbiegel formuliert: „Das, was wir zwischen 10 und 18 Jahren gelernt haben, hätten wir später nicht mehr nachholen können.“
Zum Pausentee wird so gebeten: „Betrinkt euch! Und kommt bitte wieder!“ Ein Zuschauer meint: „Die machen ganz schön Rabatz.“ Ob Hip Hop- oder Jazzeinflüsse, die Prinzen-DNA steht weiterhin für gesellschaftliches Engagement, zum hymnischen „Deutschland“ formen Krumbiegels Arme ein Hakenkreuz: „Das alles ist Deutschland – das alles sind wir.“ Das Publikum, darunter Weggefährten mit ihren Kindern, wird zum zweiten Massenchor, am Ende stehen alle.
Dann funktionieren sie prächtig, diese emotional-lokalen Bindungskräfte, an denen ein Fußballklub wie RB Leipzig noch lange stricken muss. Die Prinzen werden zu Königen der Nacht, stolze Freude strahlt aus Sternchenaugen.
Mit dem Orchester der Musikalischen Komödie Leipzig geht es im Februar 2018 auf Tour, darunter auch in die Elbphilharmonie Hamburg. Man gönnt es den Prinzen von Herzen.
(mz)