Herbert Achternbusch Herbert Achternbusch: Der ungezähmte Universalkünstler

München/dpa. - Querdenkerisch und eigensinnig, mit einem Hang zurProvokation und mit Freude am Anarchistischen, so kennen viele denMaler, Bildhauer, Schriftsteller und Filmemacher. Vor allem zu CSUund Kirche pflegte Achternbusch jahrelang eine nahezu rituelleFeindschaft. Auch Blasphemie wurde dem gebürtigen Münchnervorgeworfen. Inzwischen ist es ruhiger um Achternbusch geworden -nicht zuletzt, weil er die Aufmerksamkeit nicht händeringend sucht.
Dabei schreckte der Künstler früher kein bisschen voraufsehenerregenden Aktionen zurück: 1977 schockte er diekulturbeflissene Gesellschaft, als er den von der Zeitschrift «Bunte»gestifteten Petrarca-Preis nach der Verleihung verbrannte und unterProtest das Weite suchte. Für ähnliche Furore sorgte er mit Filmenwie «Das Gespenst» von 1982, in dem eine Christusfigur in einemKloster lebendig wird und mit der Oberin durch Bayern wandelt. Promptverweigerte ihm das Bundesinnenministerium die letzte Rate derFördergelder - ein jahrelanger Rechtsstreit war die Folge, denAchternbusch schließlich 1992 gewann. Auch seine Filme wurden indieser Zeit nicht oder nur zensiert im Fernsehen ausgestrahlt.
Schauspieler wie Josef Bierbichler oder Margarethe von Trottastanden für den Querdenker vor der Kamera. Am liebsten drehte erjedoch mit Laien, darunter Filme wie «Bierkampf» auf dem MünchnerOktoberfest, «Heilt Hitler» oder 1998 vor den Bundestagswahlen «NeueFreiheit. Keine Jobs. Schönes München. Stillstand», in dem einObdachloser die Abschaffung Kanzler Kohls verlangt.
Heute, so scheint es, hat sich das öffentlich-rechtliche Fernsehenmit dem einstigen Provokateur ausgesöhnt. Zum 70. Geburtstag zeigtdas Bayerische Fernsehen am 22. November um 21.45 Uhr ein sehrpersönliches Porträt des Regisseurs Andi Niessner. Anschließendlaufen drei Filme, darunter auch «Servus Bayern», den die ARD nochvor 15 Jahren auf Betreiben des Bayerischen Rundfunks (BR) in einerRetrospektive vom Sendeplan genommen hatte.
Doch neben seiner filmischen Arbeit ist Achternbusch auch einunermüdlicher Maler. Die Dokumentation des BR gibt Einblick in seineMünchner Wohnung, die bis unter die Decke voll ist mit Bildern undZeichnungen - mal realistisch, mal fantastisch bis alptraumartig.Schon während seiner Kindheit im Bayerischen Wald malte er gerne undviel - ein Talent, das er von seiner Mutter geerbt habe, wie er ofterzählt. Doch allein mit einer künstlerischen Ausdrucksformzufriedengeben wollte er sich nicht.
Mitte der 1960er Jahre fing er an, mehr zu schreiben und feiertedamit trotz seiner Hassliebe zum Theater auch Erfolge, so etwa 1986mit dem Stück «Gust» mit Josef Bierbichler, das die MünchnerKammerspiele mehrere Jahre lang aufführten. Das Drama «Der Stiefelund sein Socken» über zwei vergreiste Einsiedler von 1993 brachte ihmsogar den Mülheimer Dramatikerpreis ein. Unzählige Stücke folgten,darunter «Kopf und Herz», «Einklang» oder «Meine Grabinschrift».
Ende der 1990er wurde es ruhig um Achternbusch. «Meine Zeit istvorbei. Meine Zeit hat es nie gegeben. Was ich mache, interessiertkeinen mehr wirklich», sagte er damals frustriert in einem Interview.
Umso erfreulicher war für ihn die Retrospektive, die ihm dasFilmfest München in diesem Sommer im Vorgriff auf seinen 70.Geburtstag widmete. Ganz so heimlich aus dem Leben stehlen könnte ersich dann doch nicht - auch wenn er vor Jahren im Gespräch mit einerZeitung sinnierte: «Vielleicht bin ich ja auch schon seit sechsJahren tot, und keiner hat's gemerkt.»