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Geschichte Geschichte: Thomas Müntzer bei Kunsthistorikern ein unbeschriebenes Blatt

09.05.2007, 06:59

Mühlhausen/dpa. - Es gebe kein überliefertes Bild des Predigers. «DieIdee, ihm ein Denkmal zu setzen, ist bis Mitte des 20. Jahrhundertskeinem gekommen», sagte der Vorsitzende der 2001 gegründeten Müntzer-Gesellschaft. Sie führt an diesem Sonnabend in Mühlhausen einKolloqium «Thomas Müntzer in der Erinnerungskultur - Das Beispielbildende Kunst» durch. Vor 50 Jahren übergab die DDR-Regierung einMüntzer-Denkmal des Bildhauers Will Lammert an die Stadt Mühlhausen.

Die Verteufelung des zeitweiligen Weggefährten Martin Luthersblieb lange Zeit so dominant, dass «er an keinem öffentlichen Orterwünscht» gewesen sei, sagte der 73 Jahre alte Müntzer-Experte ausErkner bei Berlin. Dabei habe es mit Stolberg, Zwickau, Allstedt,Frankenhausen, Mühlhausen und Heldrungen genug Erinnerungsortegegeben. «In Dramen, Romanen und Erzählungen ist Müntzer bereits seitAnfang des 19. Jahrhunderts präsent.» Der Seelsorger und Prediger waram 27. Mai nach der vernichtenden Niederlage des Bauernheeres in BadFrankenhausen vor den Toren Mühlhausens mit 50 Bauernkriegsführernenthauptet worden. In der Marienkirche Mühlhausens hatte Müntzereinst gepredigt.

In den 1950er Jahren entstanden laut Vogler die ersten Müntzer-Denkmale in Halberstadt (1955) und in Mühlhausen als «personaleMonumente». Das von Lammert (1892-1957) geschaffene Denkmal zeigeerstmals Müntzer als Vollfigur mit Schwert und Bibel. «Sein Müntzer-Denkmal markiert deshalb einen Höhepunkt und zugleich einenEndpunkt», benannte Vogler Lammerts Verdienst. Hintergründe undEntstehungsgeschichte hat er in dem im Mai 2007 erschienenen Buch«Das Thomas-Müntzer-Denkmal in Mühlhausen» erläutert.

Am 12. Mai diskutieren Historiker, Bildhauer und Kunsthistorikerim Bauernkriegsmuseum Mühlhausen über Veränderungen deskünstlerischen Müntzer-Bildes nach der Wiedervereinigung: «Er wurde1989 nicht mehr auf den Sockel gestellt, sondern inKonfliktsituationen gezeigt», beschreibt Vogler die differenzierteDarstellung.

Die 1976 in Heldrungen und 1989 in Kapellendorf, Stolberg undZwickau aus Holz, Stein oder Bronze entstandenen Erinnerungendokumentierten einen veränderten Blick auf Müntzer. Sieverdeutlichten anschaulicher «Müntzers Idee und Schicksal, seineVisionen und inneren Konflikte». Der Theologe verstand sich als vonGott gesandter Prophet und die Reformation und den Bauernkrieg als«Zeit der Ernte», in der sich apokalyptische Erwartungen erfüllten.Die Menschen in die «Ordnung Gottes» zurückzuführen, von der sieabgefallen seien, schloss für Müntzer eine radikale Umgestaltung derGesellschaft ein.

Derzeit gibt es laut Vogler 120 Müntzer-Darstellungen. NebenDenkmalen sind es vor allem Grafiken, Gemälde und Büsten. Bis 1950.seien lediglich zwölf Müntzer-Darstellungen bekannt. «Bis heute istunklar, ob der eigenwillige Theologe überhaupt zu Lebenszeitenporträtiert wurde», sagte Vogler. Müntzer hatte nachweisbar mehrereBegegnungen mit Porträtmalern. Ein überliefertes Bild sei aber nichtbekannt.