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Gerhard Polt Gerhard Polt: Nikolausi, Osterhasi und der alltägliche Wahnsinn

Von ralf isermann 06.05.2012, 17:31

münchen/AFP. - Ein hohes Alter ist relativ, das weiß der Zuhörer des Gerhard Polt. "Wenn du vor einer Schildkröte stehst, und es sagt dir einer, die ist jetzt 260 Jahre alt, dann hast du schon einen Respekt. Du kannst allerdings auch sagen: 260 Jahre lang bloß Salat fressen, das ist die andere Seite der Medaille." Nun wird Gerhard Polt am Montag selbst 70 Jahre alt.

Auch wenn er über seinen bevorzugten Tagesablauf sagt: "Ich sinnlose vor mich hin, und das mit Begeisterung" - es wird ihn wohl nie einer mit dem begrenzten Wirken einer Schildkröte zu vergleichen wagen. Im Gegenteil: Seit Karl Valentin hat kein bayerischer Humorist eine ähnliche Bedeutung erlangt. Polt kam 1942 in München zur Welt. Evangelisch getauft, wuchs er dann im erzkatholischen Marienwallfahrtsort Altötting in Niederbayern auf. Das sei sehr günstig, wenn man Komiker werden will, sagt Polt einmal.

Neulich schilderte der mit seiner Frau am Schliersee lebende Polt in der "Frankfurter Rundschau", wie er von einer seiner Kinderängste - der vor dem Nikolaus - als Neunjähriger befreit wurde. "Ich sah, wie eine Gruppe von Nikoläusen aus dem Studentenschnelldienst kam und Kinder sie mit Steinen bewarfen. Zu erleben, dass diese Nikoläuse um ihr Leben gelaufen sind, das war Revolution." "Nikolausi" heißt denn auch einer der Klassiker des Poltschen Humors. "Nikolausi" sagt ein kleiner Junge zum Vater, obwohl er einen Osterhasen sieht. "Nein, das ist nicht Nikolausi, das ist Osterhasi", sagt der Erwachsene zunächst noch lächelnd. Doch das Kind bleibt bei "Nikolausi" und allmählich dreht der Vater durch - bis er mit einem "Herrschaftszeiten" dem "Rotzbub" Prügel androht.

Polt sudierte nach dem Abitur zunächst in München, ab 1962 dann in Göteborg nordische Sprachen. 1974 begann seine Bühnenkarriere. Schon 1978 bekam er eine erste Fernsehreihe "Fast wia im richtigen Leben", die zunächst im Bayerischen Rundfunk und dann in der ARD lief. Hanns Helmut Böck, Polts Redakteur vom Bayerischen Rundfunk, beschrieb den Grund für dessen Erfolg so: "Der unbestechliche Blick für das Tragische und Komische im Alltäglichen und die Fähigkeit, dies in einer kurzen Szene zu bündeln."

Ein "Ereignis" sei Polt, sagte selbst der große Loriot. Und wie Loriot versteht es der Bayer, sich durch Verknappung interessanter zu machen. Talkshows meidet er, Interviews gibt er selten. Auf der Bühne steht er dagegen regelmäßig. Mit den inzwischen aufgelösten Biermöslblosn bildete er lange ein geniales Gespann, auch mit den Toten Hosen tourte Polt schon.

Falls ihm noch was einfällt, wird auch jenseits der Siebzig von ihm zu hören sein. "Die Zeiten für Satire sind immer gut. Sie stirbt nicht, solange der Mensch menschelt."