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Erotik an der Semperoper Erotik an der Semperoper: Stripperinnen zeigen den Schleiertanz

Von Joachim Lange 28.09.2016, 17:06
Erotik an der Semperoper: Schleiertanz in „Salome“
Erotik an der Semperoper: Schleiertanz in „Salome“ dpa

Dresden - „Salome“ ist seit ihrer Uraufführung 1905 Dauergast in der Semperoper. Die erhitzte Schwüle, dieser Kurzschluss von Liebe und Tod - das ist immer noch ein ziemlich starkes Stück. Wer hier im Graben beim besten Richard-Strauss-Orchester der Welt antritt, wie jetzt Omer Meir Wellber, muss es zwar nicht mit dem amtierenden hauseigenen Strauss-Spezialisten Christian Thielemann aufnehmen, dafür aber gleich mit der ganzen Rezeptionsgeschichte.

Das Selbstbewusstsein dazu hat der junge israelische Pultstar allemal. Er vermag diesem zu betörend flimmernder Opulenz fähigen Orchester eine dunkle Klarheit abzugewinnen, die verblüfft und fasziniert. Kaltes Feuer sozusagen. Oder erhitzte Kälte. Das klingt zwar zunächst laut, entfaltet aber eine aggressive Suggestionskraft.

Projektionen der sexuellen Obsessionen

Die Rauschwirkung wird bei Michael Schulz freilich - wenn auch unbewusst - durch die Szene gebrochen. Dabei stimmt die Richtung. Doch die Regie kommt bei der Umsetzung vom Wege ab. Die Ausgangskonstellation im Kinderzimmer behauptet, dass es um Projektionen der sexuellen Obsessionen in die Bereiche geht, die tabu sind. Denkt man die Ursachen ihrer Entgleisung mit, dann ist Salome nicht nur das Ungeheuer, vor dem es ihren übergriffigen Stiefvater Herodes am Ende so schaudert, dass er sie umbringen lässt.

Dann ist sie natürlich auch Opfer. Mindestens eines latenten, eher noch eines tatsächlichen Missbrauchs durch Herodes (Lance Ryan). Das Kinderzimmer, (Bühne: Dirk Becker) ist zunächst der Schutzraum, den sich kindliche Fantasie erschaffen hat. Hier wird Salome von ihrem Teddy (unter dem sich als Narraboth Daniel Johansson verbirgt) angehimmelt.

Die Soldaten sind zu Nussknacker- und Westernheld-Menschenpuppen mutiert. Wenn dann Markus Marquardt die für Salome so verführerische Stimme des Jochanaan erklingen lässt, dann entschwindet das ganze Zimmer in den Hintergrund und der Prophet fährt als ein lebensferner Moralapostel aus der Versenkung am Schreibtisch sitzend nach oben.

Varieté-Nummer bleibt vor allem schleierhaft

Bei seinem zweiten Auftauchen wirkt er höchstens wie ein ungebetener Gast in einer Herren-Runde, die sich einen Auftritt von sechs Stripperinnen nach Hause bestellt hat. Für den Spießer Herodes sind die wippenden Busen der Gipfel der zur Schau gestellte Verruchtheit. Als Ersatz für den Schleiertanz bleibt diese Varieté-Nummer vor allem schleierhaft.

Am Ende legt Salome den Kopf des Jochanaan in ihr Bett und sich daneben. Überzeugend gelingt der Wechsel zwischen psychologischer und Kinderzimmer-Realität nicht. Er nimmt dem Sog, den Salomes Egotripp entfalten kann, die Wucht. Was auch daran liegt, dass Jennifer Holloway zwar eine sehr schöne, auch strahlkräftige, aber doch auch eher leichte Stimme hat. Bei dieser „Salome“ überwältigt vor allem das hauseigene Strauss-Orchester. Auf ihre szenische Haltbarkeit wettet man besser nicht.

(mz)