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Ernst von Salomon Ernst von Salomon: Die Erde an den Mond sprengen

Von Christian Eger 24.09.2002, 21:13

Halle/MZ. - Tatsächlich ist Ernst von Salomon ein Manngewesen, der keinerlei Bedauern nötig hatte;im Gegenteil, er war ein Charakter, der solcherartWallungen an sich abperlen ließ wie Wachstuchdas Wasser: Im Alter war dieser Alleingängerimposanter und geistvoller als seine Gegner.Er war, was die "Süddeutsche" ihm attestierte,recht eigentlich ein "witziger Rechter".

Ein witziger Rechter? Schon hört man dasUnbehagen knistern, ein kollektives Räuspern,das einer Denkfaulheit entspringt, die heuteals staatsbürgerliche Wachsamkeit gilt. Denngegenüber Ernst von Salomon scheint Vorsichtgeboten: Heute vor 100Jahren in Kiel geboren,war er als 19-Jähriger 1922 an der Ermordungdes Reichsaußenministers Walther Rathenaubeteiligt. Salomon, Mitglied des FreikorpsEhrhardt, hatte den Fahrer des Mord-Wagenszu beschaffen. Wegen "versuchter Beihilfe"zum Mord wurde Salomon zu fünf Jahren Zuchthausverurteilt. Egal, wohin fortan der Weg seinesEngagements noch führen sollte (und er führteihn nach 1945 in die erste Liga der Anti-Atomwaffenbewegungund in das Präsidium des westdeutschen, vonder DDR unterstützten Demokratischen KulturbundesDeutschlands), der Ruf als Rathenau-Mördereilte Salomon voraus und übertönte alles.Dieses Tönen indes war stets mit einer hohenAufmerksamkeit gekoppelt. Mit seinem 1951erRoman "Der Fragebogen", in dem Salomon dieStandardfragen der Alliierten mit episch undessayistisch ausgreifenden Erinnerungen beantwortet,wurde ein Weltbestseller.

Es sollte heute möglich sein, über Salomonzu reden, ohne in die Fallen einer volkspädagogischintendierten Geschichtsschreibung zu tappen,die - noch bevor sie Historie zur Kenntnisnimmt - schon mit ihr belehren will. Dabeigeht es ja nie um eine letzte Klärung historischerFragen (das unternimmt jede Zeit neu), sondernum das Begehbarmachen historischer Räume.

In diesen Räumen steht die Generation Salomons,die sich - 1918 gerade dem Gymnasium entwachsen -im antibürgerlichen (Opportunisten!), antiwestlichen(Weltkriegs-Sieger!) und antikapitalistischen(Ausbeuter!) Affekt vereinigte, um der heutekaum noch begriffenen politischen, wirtschaftlichenund lebensweltlichen Erschütterung nach demErsten Weltkrieg entgegenzutreten - eingeschworenauf ein imaginiertes neues und eben nichtbürgerliches Deutschland.

"Ich bin da in die Sachen hineingegangen wieKarl Moor in die Böhmischen Wälder", schreibtSalomon über seine Freikorps-Jahre. Das war"dieser unvergleichliche Rausch des Sichopferns,die Selbstvernichtung - das Grandiose desVersuches, ,die Erde an den Mond zu sprengen'. -Alles in allem eine ganze hübsche Pubertätserscheinung".Das Attribut "hübsch", wo auch hätte "mörderisch"stehen können, ist typischer Salomon-Ton:Distanzierung durch Ironisierung.

Salomon, der sein Gesellschaftsideal im fritzischenPreußen fand, gehörte zur Liga der Nationalbolschewisten,einer Gruppe, die radikal sozialistische undnationalistische Zielsetzungen zu vereinensuchte - zeitweise auch, um ein deutsch-russischesBündnis gegen den "kapitalistischen" Westenzu erreichen.

(Der Text wurde gekürzt. Die vollständige Fassung lesen Sie in der Druckausgabe der Mitteldeutschen Zeitung von Mittwoch, 25. September 2002.)