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Elbtal behält vorerst Welterbetitel Elbtal behält vorerst Welterbetitel: Eine Stadt in der Klemme

Von Lars Rischke 25.06.2007, 20:00

Dresden/MZ. - Es ist Lutz Vogel anzumerken, wie sehr ihn das Gezerre der letzten Monate mitgenommen hat. Mit bleicher Miene und tiefen Ringen unter den Augen trat er im Dresdener Rathaus vor die Journalisten. Der parteilose amtierende Oberbürgermeister war aufgeblieben in der Nacht zuvor, weil er Gewissheit haben wollte, wie es weitergeht. Mit Dresden, der umstrittenen Waldschlösschenbrücke über die Elbe und dem Unesco-Welterbetitel.

Kurz vor halb vier am frühen Morgen klingelt bei Vogel in Dresden das Telefon. Am anderen Ende Baubürgermeister Herbert Feßenmayr. Der CDU-Mann hat im neuseeländischen Christchurch die Tagung des Unesco-Welterbekomitees beobachtet. In dem Telefonat berichtet er, dass das Dresdner Elbtal mit seinen Auen, den historischen Barockbauten am Ufer im Zentrum und den Villen und Schlössern an den sanften grünen Hängen, den vor drei Jahren verliehenen Titel "Weltkulturerbe" behalten kann. Vorerst. Ob das ein Erfolg ist? Der Oberbürgermeister überlegt lange. Dann folgt ein lang gezogenes "Ja".

Anderthalb Stunden und damit ungewöhnlich lange beschäftigte sich das Welterbekomitee mit Dresden. Am Ende beschloss es einen Aufschub: Bis zum 1. Oktober erwartet das Gremium Alternativen zur bislang geplanten Brücke. Für Dieter Offenhäußer von der deutschen Unesco-Kommission ist das eindeutig ein Kompromiss-Signal. Nun sei es Sache von Dresden und Deutschland als Unterzeichnerstaat, angemessen zu reagieren.

Kritiker halten den ursprünglichen Entwurf für zu klotzig. Die Unesco selbst hatte das Elbtal in Dresden deswegen vor einem Jahr auf die Liste der gefährdeten Erbestätten gesetzt. Die Kommission treibt die Sorge um, dass der umstrittene Brücken-Entwurf eine einzigartige Landschaft verschandeln könnte. Dresden hat sich in den letzten Monaten mit Händen und Füßen vor Gericht dagegen gewehrt, dass die Brücke in der bisherigen Form gebaut wird. Bis zum Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe klagte die Stadt. Vergeblich. Die Richter gaben einem Bürgerentscheid stets Vorrang vor der Welterbekonvention. 2005 hatten sich die Dresdner mit großer Mehrheit für eine neue Brückenquerung ausgesprochen. Der Konflikt mit der Unesco war damals freilich nicht absehbar.

Zuletzt ließ das Rathaus Alternativentwürfe anfertigen. Mit der neuen Studie eines Stuttgarter Büros reiste Feßenmayr als Vertreter der Kommune ins ferne Neuseeland, um den Streit entschärfen zu helfen. Und Zeit zu gewinnen. Zumindest dies ist offensichtlich gelungen, auch wenn die Studie nicht offiziell diskutiert wurde.

Betont ruhig und sachlich versucht Vogel die heikle Lage zu erläutern. Er spricht davon, dass die Stadt nach den jüngsten Gerichtsentscheidungen keinen Spielraum mehr hat und dass die Bücke unabhängig von der Entscheidung in Neuseeland wie geplant errichtet werden muss. Die endgültige Vergabeentscheidung könnte demnach bereits in der nächsten Woche fallen. Noch im Sommer würden die Bagger anrücken. Vogel sieht jetzt nur noch eine einzige Möglichkeit, die Aberkennung des Titels zu verhindern. Nötig sei dafür aber der politische Wille aller Beteiligten. "Die Stadt allein wird aus dieser verzwickten Situation nicht herauskommen."

Ähnlich sieht das die Bundesregierung. SPD-Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee appellierte noch einmal an die Verantwortlichen, sich einer politischen Lösung des Konfliktes nicht zu verschließen. Dass damit vor allem Sachsens Regierungschef Georg Milbradt gemeint ist, ist in Dresden ein offenes Geheimnis. Denn der CDU-Politiker lehnt bislang einen Kompromiss ab und drängt nach wie vor auf den Bau der umstrittenen Brücke.