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Der Umstrittene Der Umstrittene: Hallescher Kunstverein zeigt Werke von Willi Sitte und seiner Schüler

Von Andreas Montag 09.03.2018, 15:27
Willi Sitte am 28. Februar 2009 in Merseburg. Arbeiten seiner Schüler gibt es jetzt in Halle zu sehen.
Willi Sitte am 28. Februar 2009 in Merseburg. Arbeiten seiner Schüler gibt es jetzt in Halle zu sehen. Waltraud Grubitzsch/dpa

Halle - Die Stadt Halle tut sich bisweilen schwer mit ihren Berühmtheiten. Jedenfalls, wenn sie umstritten sind. Bei dem Barock-Komponisten Georg Friedrich Händel und den früheren Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher gibt es freilich kein Vertun, die sind ja quasi heilig gesprochen.

Fallen hingegen Namen wie die des SS-Verbrechers Reinhard Heydrich oder der DDR-Volksbildungsministerin Margot Honecker, geborene Feist, die ebenfalls aus Halle stammen, reagieren die Offiziellen in aller Regel, als hätten sie in eine Zitrone gebissen.

Willi Sitte war linientreuer Funktionär der SED

Nicht anders, wenn von Willi Sitte die Rede ist, der als Maler und Grafiker jahrzehntelang in Halle lebte, zudem ein linientreuer Funktionär der SED war und bis zu seinem Tode darauf beharrte, Kommunist zu sein. Das ist erlaubt.

Was hingegen den Umgang mit dem 2013 verstorbenen Sitte betrifft, dessen 100. Geburtstag in drei Jahren ins Haus steht: Souverän geht anders.

Nun zeigt der hallesche Kunstverein Talstraße eine Ausstellung mit Werken von vier der insgesamt zehn Meisterschüler, die bei Sitte, der lange als Professor an der Burg in Halle wirkte, in die Lehre gingen.

Ältere und jüngere Arbeiten von Henri Deparade, Frank Schult, Norbert Wagenbrett und Dieter Weidenbach stehen Bildern Willi Sittes gegenüber. Eine reizvolle Konfrontation, die zeigt, wie nahe die Schüler von einst ihrem Lehrer standen - und wie sie sich vom Einfluss seines körperbetonten Realismus abgrenzten und emanzipierten.

Schüler wie Deparade sind selbst in die Jahre gekommen

Sittes „Azubis“ waren damals, als sie zu ihm an die Burg kamen, schon auf dem Sprung, gestandene, anerkannte Maler zu werden. Inzwischen sind Deparade (geboren 1951 in Halle), Schult (geboren 1948 in Ilmenau, Thüringen), Wagenbrett (geboren 1954 in Leipzig) und Weidenbach (geboren 1945 in Stendal, Altmark) selbst schon in die Jahre gekommen.

Dass sie sich jetzt gemeinsam mit ihrem Lehrer Sitte in Verbindung bringen lassen, ist trotz zu vermutender Milde, die man im Alter ja gewinnen soll, keine Selbstverständlichkeit.

Drei der vier Schüler verlassen „Honecker“-Land

Immerhin sind drei der vier Künstler nach ihrem Meisterkurs in den Westen ausgereist, nur Norbert Wagenbrett blieb in der DDR. Sitte, der fest im Glauben zur DDR und ihrer Kunstpolitik stand, die er als Verbandspräsident und ZK-Mitglied führend mitverantwortete, ist natürlich nicht gut zu sprechen gewesen auf die Ausreise-Kader. Schließlich hatten sie mit ihrem Entschluss, Honecker-Land zu verlassen, auch ihrem Lehrer eine Absage erteilt.

Ob er das als Dilemma der DDR verarbeitet und nicht nur als Einfluss des altbösen Klassenfeindes abgetan hat, darf bezweifelt werden. Viele der künstlerisch Begabten hatten ihren eigenen Kopf und benutzten ihn zum kritischen Denken.

Allerdings, so sagt Matthias Rataiczyk, der Vorsitzende des Kunstvereins Talstraße, habe sich Sitte über spätere Annäherungen der Abtrünnigen an ihn gerührt gezeigt.

Kunsthalle Talstraße in Halle zeigt anregende Werke

Dies war zu einer Zeit, als die meisten seiner Weggefährten aus DDR-Tagen sich von dem unbeirrbar auf seinen kommunistischen Idealen beharrenden Sitte abgewandt hatten. Kein schönes Kapitel. Die Betreffenden werden es in ihren Biografien wohl eher klein halten, wenn sie es denn überhaupt erwähnen sollten.

Was die Ausstellung in Halles Kunsthalle Talstraße zeigt, ist vielfach anregend: Norbert Wagenbrett, früh mit seinen gegen den Strich gebürsteten Brigadebildern aufgefallen, ist noch immer auf den ersten Blick an seinen markanten, provozierenden Porträts zu erkennen.

Henri Deparade hingegen hat sich offenbar vom klassisch realistischen Abbild ab- und eher grafisch wirkenden, mit einander überlagernden Formen experimentierenden Gemälden zugewandt.

Dieter Weidenbach malt schockierendes „Russland Triptychon“

Frank Schults jüngere Arbeiten sind expressiv und farbstark, weisen aber der menschlichen Figur weiter klar den Mittelpunkt zu - wie es auch bei Deparades Bildern der Fall ist.

Am stärksten klingt das Gespräch mit Sittes Ästhetik bei Dieter Weidenbach an, zumal in seinem 2016/17 gemalten, schockierenden „Russland Triptychon“. Hier ist ein Bezug zur Formensprache des Lehrers unübersehbar. Sitte hätte das Sujet der drei Bildtafeln vielleicht nicht geschmeckt - aber er hätte sie als Maler zweifellos gemocht.

Sittes Meisterschüler, Kunsthalle Talstraße, Halle, Talstraße 23, bis zum 3. Juni, Di-Fr 14-19, Sa/So 14-18 Uhr, Eintritt 7 Euro, für Studenten der Burg Halle und der MLU (Kunstgeschichte) frei

(mz)