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City City: Nie weg vom Fenster

07.03.2012, 17:31

Halle (Saale)/MZ. - Am Fenster" heißt der größte Hit der Berliner Rockband City. Er stürmte schon kurz nach Gründung der Formation die Ostrock-Hitparaden und kann getrost als Omen gesehen werden. Denn fortan waren die Mannen um Toni Krahl und Fritz Puppel nie mehr weg vom Fenster. Ganz im Gegenteil: Auch nach 40 Jahren sind die Hallen voll, ist die Begeisterung für den City-Sound ungebrochen. Ihr Jubiläum feiert die Band am 25. März um 20 Uhr im halleschen Steintor-Varieté. Sylvia Pommert hat mit Toni Krahl und Fritz Puppel über den Bandgeburtstag, alte Träume, neue Ansprüche und natürlich den Jahrhundert-Hit "Am Fenster" gesprochen.

City wird 40 und feiert das am 25. März im halleschen Steintor-Varieté. Was gibt es dort auf die Ohren?

Krahl: Genau am 24. Februar veröffentlichte City ein neues Album mit dem vielversprechenden Titel "Für immer jung". Nun sind wir ja nicht größenwahnsinnig geworden und merken schon, dass der Zahn der Zeit bei uns zumindest äußerlich nagt. Aber: So lange wir unsere Ideen und unsere Ideale haben, bleiben wir jung. Und das gilt nicht nur für uns, sondern für den Menschen überhaupt. Da kann er schrumpeln wie er will - wenn im Kopf alles okay ist, bleibt er jung. Das wollten wir mit dem Titel sagen. Das neue Album wird ein Mittelpunkt des Konzertes sein. Aber bei 40 Jahren City spielt man natürlich ein Best-of-Programm. Wir bieten eine Hit-Auswahl an. Alles zusammen wird eine runde Sache, zumal wir in Halle mit Zusatzmusikern anreisen.

Wer ist noch dabei?

Krahl: Die City-Horns - ein Bläsersatz. Mit ihnen stehen wir zum ersten Mal auf der Bühne. Das hört sich jetzt vielleicht nach einer Blaskapelle an, aber so ist es nicht. Die City-Horns haben uns auch schon bei ein paar Stücken auf dem neuen Album unterstützt. Das Ganze ist eine Bereicherung und macht einen riesigen Spaß.

Und "Am Fenster" - spielen Sie es kurz oder lang?

Krahl: Lang, aber nicht den ganzen Abend lang, sondern in der Zehn-Minuten-Variante.

Ich habe 17 Minuten in Erinnerung.

Krahl: Das ist nicht falsch. Es gibt auf dem entsprechenden Album einen Part, eine Art Vorspiel vor dem eigentlichen Titel, der sich "Traum & Tagtraum" nennt. Den spielen wir beim Konzert auch, aber an einer anderen Stelle. Also es gibt schon die kompletten 17 Minuten zu hören, nur gesplittet.

40 Jahre City sind auch 40 Jahre Bandgeschichte. Mit welchen Vorstellungen sind Sie bei der Gründung 1972 angetreten?

Puppel: Wir wollten eine Rockband sein, die sich in Deutsch ausdrückt, die verständlich ist. Am Anfang haben wir zwar das Alphabet des Rock'n'Roll nachgespielt, um zu lernen, wie man die Sounds macht. Wir waren ein bisschen Santana und ein bisschen Deep Purple. Aber es gab keinen Zweifel, dass wir etwas Eigenes machen wollten. Das war, wenn man so will, der künstlerische Urknall, und der hält immer noch an. Insofern sind unsere Träume von damals aufgegangen. Wir sind unverwechselbar. Die Leute sagen: Wenn wir diese Art Musik hören wollen, dann müssen wir halt zu City gehen. Mit "Am Fenster" hatten wir zudem ein Geschenk des Himmels, einen Türöffner, einen Jahrhundert-Hit, der sich immer wieder erneuert und nie alt wird. Der bleibt für immer jung und wird von Generation zu Generation immer wieder neu belebt.

Doch die Geschichte, wie er auf eine Single kam, war ein wenig abenteuerlich …

Puppel: Damals hatte ein Song drei Minuten lang zu sein. Das war die Schublade, um mit einem Titel ins Radio zu kommen. Angeblich hören die Leute nicht länger zu, hieß es. Nun ist "Am Fenster" bekanntermaßen viel, viel länger. Und noch dazu war der Titel vom Gewand her nicht das, was gewöhnlich über den Äther lief. Dann aber nahm ein Rundfunk-Redakteur das Risiko auf sich und hat ihn einfach gespielt. Damit trat er eine Lawine los, die bis heute rollt. Und wir hören nicht auf zu spielen, bis die ganze Welt davon erfährt. Denn es gibt keinen Menschen auf der Welt - ob er englisch spricht oder chinesisch - der nicht von dieser Magie erfasst wird.

Krahl: Es war damals so und ist es noch heute, dass viele wunderbare Titel einfach verloren gehen, weil Musik-Redakteure in ihren Stübchen glauben, dass die Leute sie nicht hören wollen. Weil sie nur das auflegen, was im Trend liegt und kein Risiko eingehen. Das ist einfach schade. Ich bin überzeugt davon, dass das Publikum viel größere Ohren hat.

Für "Am Fenster" gab es eine Goldene Schallplatte in Griechenland - wie sind Sie denn dazu gekommen?

Puppel: Rein über Verkaufszahlen. Wir haben dort tatsächlich die magische Größe erreicht. Auf den Erlös allerdings warten wir bis heute. Vermutlich speist er mittlerweile den Rettungsschirm. Wir warten gern weitere 30 Jahre, sind aber angesichts der derzeitigen Situation vor Ort nicht mehr so optimistisch.

Wer weiß, welche Währung dann gilt.

Puppel: Vielleicht heißt die dann "City-Platten". Ich werde das mal vorschlagen.

Zurück zu Ihrem Anspruch, deutschsprachigen Rock zu machen: 1980 erschien mit "Dreamer" beziehungsweise "Dreamland" eine englischsprachige City-Scheibe. War das ein Ausrutscher?

Puppel: Das war der allergrößte Flop unserer 40-jährigen Geschichte. Besser noch: ein Genickbruch. Wir zählten damals aufgrund unserer Erfolge in der BRD zu den Devisenbringern der DDR. Und das damalige Plattenlabel Amiga hatte Westgeld gerochen und wollte wissen, ob unser Erfolg auch international funktioniert. Ein Versuch also und für uns keine Herzensangelegenheit.

Ich kannte die Platte gar nicht.

Puppel: Na, seien Sie froh. Das Schöne an der Geschichte ist aber: Wir haben schon hinter uns, was andere noch vor sich haben. Es ist abgehakt, und wir können locker damit umgehen.

Bleiben wir beim Erfolg. Die Texte von City hatten immer auch eine politische Botschaft. Nicht ins Auge springend, aber verpackt als "kleine Wahrheit". Wie ist das auf der neuen CD?

Krahl: Für uns ist ein Album mit zwölf Songs immer auch ein Spiegelbild der Zeit, in der wir leben. Das heißt, unsere kleinen Geschichtchen - Herz, Schmerz, Verlust und Freude - spielen ebenso eine Rolle wie auch das, was wir gesellschaftlich beobachten. Da bleiben wir uns treu. Entstanden ist das neue Album 2011. Dieses Jahr haben wir in den Songs verarbeitet. Es war das Jahr von Fuku-shima, von Tsunamis. Da kommt man auch mal auf fatalistische Gedanken und fragt sich: Wie verhalten wir uns eigentlich?

Auch autobiografische Sachen spielen eine Rolle. Einer der Titel beschäftigt sich mit Toni Krahls ganz persönlichen Erfahrungen zum Prager Frühling.

Krahl: Das ist eine Zeile aus dem Titelsong "Für immer jung". Er ist, wenn man so will, mein Leben in drei Minuten. Man spürt den Impuls, den Bob Dylans "For ever young" gab, ein Song, der uns damals wie heute geprägt hat: Haltet an euren Ideen fest, dann bleibt ihr für immer jung.

Dann hat sich die folgende Frage schon zum Teil beantwortet. Denn nach einstigen Meinungsverschiedenheiten, Trennungen und Wiedervereinigungen erleben wir City nun schon sehr lange in einer stabilen Besetzung. Ist die Band in all den Jahren etwa erwachsen geworden?

Puppel: Emotionalität und Spontaneität gehören einfach zur Musik. Und dann kommt es eben auch zu Sachen, die neben der Spur sind. Aber dass wir Trennung und erneute Eheschließung schon hinter uns haben, ist doch auch von Vorteil. Wir werden älter, aber nicht erwachsen.

Sie bleiben uns also noch lange erhalten?

Puppel: Na davon können Sie aber ausgehen.

Stellt sich die Frage nach den Fans. Jüngere haben kaum die Möglichkeit, City kennenzulernen. Es sei denn, auf Konzerten. Und dazu brauchen sie Eltern, die sie darauf aufmerksam machen. Wird Ihr Fanstamm also immer älter?

Puppel: Schöner wäre es, wenn die Medien aufmerksamer wären. Sind die meisten aber nicht, denn sie sind vor allem Transportboten für die Werbeindustrie. Das Publikum, das zu uns kommt, erkennt genau das und will etwas anderes hören. Doch es gibt Möglichkeiten, in die Breite zu gehen. Zum einen über aufgeschlossene Medien - die es ja zum Glück auch gibt. Und zum anderen spielen wir zum Beispiel auch auf Stadtfesten, also dort, wo Leute hinkommen, die uns so nicht kennen. Und die sind dann auf einmal sehr erstaunt und bleiben auch dabei.

Eine Frage, die ich unbedingt noch loswerden möchte. Neulich stieß ich beim Schmökern auf einen scheinbaren Gegensatz: Toni Krahl, der harte Kerl, hat ein Häuschen auf Zypern, er lebt also in der blanken Idylle. Gibt es da vielleicht eine Seite, die ich am City-Frontmann noch nicht kenne?

Krahl: Ganz bestimmt. Das will ich aber auch hoffen. Ich laufe doch nicht rum, wie ein offenes Buch. Allerdings komme ich nicht allzu oft nach Zypern. Im Moment fehlt mir einfach die Zeit. Und man darf nicht vergessen: Neben der Idylle trifft man dort auf der Insel auch auf eine gewisse Schroffheit und Kargheit. Insofern kommt die Landschaft meinem Naturell schon nahe.

Und wer am Aphrodite-Felsen ins Meer geht, bleibt ewig schön ...

Puppel: Das planen wir für das 50-jährige Jubiläum. Dann geht die komplette Band dort baden.

Karten gibt es bei TiM-Ticket unter Telefon: 0345 / 2 02 97 71