Chris Rea in Leipzig Chris Rea in Leipzig: Wieder auf dem Weg

Leipzig - Er spielt sie wieder, diese schnurrigen Radiohits, an denen man ab den späten 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts kaum vorbei hören konnte. In Leipzig gibt es das mediterrane „On the Beach“, das treibende „The Road to Hell“, das abgehangene „Looking for the Summer“ und das hüpfende „Let’s dance“.
Der Sänger mit der raubeinigen-bärigen Stimme
Chris Rea weiß, was ihn als Sohn eines italienischen Immigranten im Musikbusiness überlebensfähig gemacht hat. Weiterhin wird alles getragen von dieser raubeinig-bärigen Seelenstimme. Mit dieser macht Rea, Jahrgang 1951 und geboren im englischen Middlesbrough, aus gefühligen Schmuseliedern kleine, runde und kuschelige Blues-Perlen, die leiser gedreht zum Innehalten und lauter gestellt zur Hüftschwungparty anleiten. Man stelle sich nur einmal Klassiker wie das fröhliche „Julia“, oder das brummelig-poppige „Josephine“, ohne dieses über Kitschklippen tragende Organ vor.
Chris Rea: In Leipzig präsentiert er sein neues Album „Road Songs for Lovers“
Am Dienstagabend in der nicht ausverkauften Arena steht jedoch ein anderer Trumpf des Musikers im Vordergrund: Die Gitarre! Vorgestellt wird das neue Album „Road Songs for Lovers“. Willkommen im Rockballaden-Paradies, welches seinen herzerwärmenden Charme trotz, für viele auch wegen, ausgiebig krachender Gitarrensoli von Anfang bis Ende durchhält.
Chris Rea präsentiert sich auf der Bühne ganz lässig
Rea kommt in Jeans und T-Shirt, es scheint, als würde er auf dem Laufsteg der Musikindustrie keine gespreizten Pirouetten mehr drehen wollen. Lässig, fokussiert, sexy. Das ist eine Krux, von der so mancher ein Liedchen trällern kann: Das scheue und anziehende Kapital Gelassenheit kommt erst dann, wenn man es nicht mehr sucht.
Über Rea scheint der Gott der Barden sein Füllhorn der Gnade ausgeschüttet zu haben. Eine Haltung und ein befreiender Abgesang auf jene Mittel, die heute so oft aus Konzerten eine unterhaltende Show machen wollen.
Überall Gitarren - Chris Rea greift in die Saiten
Stattdessen: Pure Lust, reine Spielfreude - ohne Schnick und ohne Schnack. So wirkt es zumindest. In Wirklichkeit hängt gleichwohl in weiten Höhen ein überdimensioniertes Gerüst: Eine blau leuchtende Gitarre. Der Zeichen nicht genug. Riesige Gitarren sind auch links und rechts der Bühne zu finden, ein Hintergrundbild auf der Videoleinwand zeigt einen Tunnel, ganz hinten die Sonne, das Licht. Und was säumt den Weg durch jenen dunklen Schacht? Gitarren!
Chris Rea sprang dem Sensenmann von der Klinge
Wer nicht weiß, dass Rea dem Sensenmann von der Klinge gesprungen ist, einer Krebserkrankung folgte letztes Jahr ein Schlaganfall, könnte diese Symbolik als zu aufdringlich empfinden. So aber legt sie Zeugnis ab, die Musik als Kraftquelle. „I’m happy, on the road again“, heißt es im ersten Song. Es ist, als würde Rea nun keine Kompromisse mehr schließen wollen.
Chris Rea: Harte Riffs, Rock`n`Roll, Baby!
Und schon fällt ein Scheinwerfer auf den schlanken Mann mit den zurückgegelten Haaren. Ein Musiker und seine Slidegitarre, zelebrierte Soli, eine tiefe Innigkeit, eine demütige Verbeugung. Was für den einen wie ein Fetisch aussieht, ist für den anderen der Beweis, dass sich Rea nie ganz mit dem Schmusesänger-Image arrangieren konnte. Jetzt gibt es die harten Riffs, Rock’n’Roll, Baby! Die Videoleinwand zeigt im Wechsel verstopfte Großstadtstraßen und idyllische Überlandfahrten. Rea, der Kritiker, der nicht mehr bis zum Sternenhimmel und ins Universum durchstarten kann, wenn die Blechlawinen die Wege verstopfen.
Zu „Looking for the Summer“ blühen Sonnenblumen auf der Videoleinwand, wie frisch von Vincent van Gogh geliefert. Rea, der Naturfreund, der spätestens im Mittelteil des Konzertes, bei „Til the Morning Sun shines on my Love and me“, auch die Autolobby zu Tränen rührt. Rea, der Mahner, der zum düsteren „The Road to Hell“ apokalyptisch grausame Schwarz-Weiß-Bilder über die Leinwand jagen lässt.
Am Ende zieht es das Publikum an die Bühne
Am Ende gibt es kein Halten mehr. Die Besetzer der bestuhlten Reihen, überwiegend hat man sich gemeinsam durch die Jahre gekämpft, stürmen zur Bühne. Die Atmosphäre ist schon längst erhaben emotional, rote Lichter flankieren funkelnde Rückschau-Sternchen-Augen. Man spürt, dass Rea über alle Lebenspfade geführt hat. Und dann ist es Zeit zum Tanzen: Let’s dance! Ein Hoch auf die schnurrigen Radiohits, ein Chapeau an die großartige Begleitband. (mz)