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Buch von Udo Jürgens Buch von Udo Jürgens: Erinnerungen einer «gebrochenen» Persönlichkeit

Von Susanna Gilbert-Sättele 01.09.2004, 10:14
Sänger Udo Jürgens zeigt seinen autobiografischen Roman "Der Mann mit dem Fagott" (Limes Verlag, München) in seiner Wohnung in Zürich (Foto vom 20.07.2004). In dem 700 Seiten starken Werk beleuchtet Udo Jürgens-Bockelmann die Geschichte des 20. Jahrhunderts aus mehreren, aber immer privaten Perspektiven und gewährt interessante Einblicke in das wechselhafte Leben der Familie Bockelmann. (Foto: dpa)
Sänger Udo Jürgens zeigt seinen autobiografischen Roman "Der Mann mit dem Fagott" (Limes Verlag, München) in seiner Wohnung in Zürich (Foto vom 20.07.2004). In dem 700 Seiten starken Werk beleuchtet Udo Jürgens-Bockelmann die Geschichte des 20. Jahrhunderts aus mehreren, aber immer privaten Perspektiven und gewährt interessante Einblicke in das wechselhafte Leben der Familie Bockelmann. (Foto: dpa) dpa

München/dpa. - Sein Großvater war Bankier des russischen Zaren,der Vater residierte in einem Schloss in Österreich, er selbstgelangte mit Schlagern zum Ruhm. Eine illustre Familie, die UdoJürgens-Bockelmann der neugierigen Leserschaft in seinemautobiografischen Roman «Der Mann mit dem Fagott» präsentiert. Das700 Seiten starke Werk beleuchtet die Geschichte des 20. Jahrhundertsaus mehreren, aber immer privaten Perspektiven und gewährtinteressante Einblicke in das wechselhafte Leben der FamilieBockelmann. Dabei zeigt das Buch deutliche Schwächen. Denn Jürgens'Werk wirkt seltsam unentschieden, ob es denn eine Familiensaga, dieMemoiren eines bekannten Entertainers oder einfach ein Zeitzeugnissein will.

Aufgewachsen auf dem väterlichen Besitz Schloss Otmanach beiKlagenfurt verbringt Udo seine Kindheit im Krieg. Er mussHinrichtungen und Folterungen mit ansehen und erlebt, wie der Vaterzeitweilig von der Gestapo verhaftet wird, weil er seine Familie inden letzten Kriegstagen nach Berlin gebracht hat. Die engenFamilienbande mit den Brüdern, den Eltern und zahlreichen Onkelnhelfen dem Jungen über die traumatischen Erfahrungen hinweg. Undnatürlich die Musik: Auf dem Klavier ahmt der Zehnjährige dieGeräusche der Bombengeschwader nach, um seiner Angst Herr zu werden.

Jürgens erzählt auch - und dies in loser Reihenfolge - vomGroßvater Heinrich Bockelmann, der zu Beginn des 20. Jahrhundertsnach St. Petersburg auswandert, um dort sein Glück als Bankier zumachen, bis der Erste Weltkrieg ihn zur Flucht zurück nachDeutschland zwingt. In diesen Erzählstrom lässt er immer wiederEpisoden seines eigenen Lebens hineinfließen: Von den Anfängen seinermusikalischen Karriere in kleinen österreichischen Bars über dieersten Erfolge («Jenny»), dem Sieg beim Grand Prix d'Eurovision de laChanson 1966 mit «Mercie Cherie» bis hin zum Höhepunkt seinerKarriere in den 70er Jahren. Ein hektisches Leben, das ihm nurStippvisiten zu Hause erlaubt und ihm Schuldgefühle beschert, weil ernicht treu sein kann und die Kinder nur ab und zu mit seinerAnwesenheit beglückt.

In einem Interview bezeichnete sich der Musiker jüngst als eine«gebrochene Persönlichkeit» mit der Gabe der Kreativität. In der Tatspiegelt der Text die Widersprüchlichkeit seines Verfassers.Offensichtlich will der vierfache Vater Jürgens mit dem etwas holprigformulierten Roman seiner Familie und sich ein Denkmal setzen.Schließlich wird er am 30. September 70 Jahre alt. Dabei ist es ihmnicht immer gelungen, die Fallstricke der Eitelkeit zu umgehen. Daswird deutlich, wenn er offen von seiner Begeisterung als Hitlerjungeund von den Auseinandersetzungen mit dem Großvater schreibt, weil derVater als Bürgermeister der Heimatgemeinde in die Partei eingetretenwar. Und auch wenn er sich immer wieder an die Brust klopft und seineUnfähigkeit beklagt, bei einer Frau zu bleiben.

Udo Jürgens/Michaela Moritz: Der Mann mit dem Fagott
Limes Verlag, München
700 S., Euro 24,90
ISBN 3-8090-2482-1