Breitwand-Pop von Get Well Soon
Berlin/Mannheim/dpa. - Auch ein «German Pop Wunderkind» muss erwachsen werden. Spätestens als der britische «New Musical Express» ihn zum talentiertesten deutschen Indie-Rocker hochjubelte, ahnte Konstantin Gropper wohl, dass der Druck beim zweiten Album immens sein würde.
«Ich konnte das natürlich nicht ganz ausblenden», räumt der 27-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur dpa in Berlin ein. «Ich wusste, dass diese Platte im Gegensatz zum Debüt nicht mehr aus dem Nichts kommt, sondern sofort auf eine Öffentlichkeit stoßen wird.» Umso erstaunlicher, dass dem neuen Werk von Groppers Bandprojekt Get Well Soon kaum Verkrampfung anzuhören ist.
«Vexations» ist wieder ein hochmelodisches, vor Ambition und Selbstbewusstsein nur so strotzendes Breitwand-Pop-Album geworden - aber zum Glück keine billige Kopie des bei Kritik und Kundschaft so erfolgreichen Erstlings von 2008. Zwar schmettern auch diesmal die Trompeten wie in einem Spaghetti-Western mit Ennio-Morricone-Soundtrack, die Geigen schwelgen erneut üppig wie in einer Sinfonie, und über all der orchestralen Wucht thront Groppers «durch die Tournee-Routine» gereifte Bariton-Stimme. Aber im Gegensatz zum Debüt, das in jahrelanger Frickelarbeit überwiegend am heimischen Laptop zusammengebaut worden war, klingt Groppers Musik jetzt trotz der schieren Klang-Masse weniger überladen.
«Ja, mir war wichtig, dass man große, schöne Räume hören kann», sagt Gropper zur luftigen Produktionsweise des neuen Albums. Außerdem holte er sich diesmal Streicher und Bläser nicht aus dem Computer, sondern ließ sie überwiegend in einem Berliner Aufnahmestudio live «nach Noten» spielen. Dass «Vexations» innerhalb von nur drei Monaten reifte und nicht mehr wie das Debüt über Jahre, «war letztlich positiv, weil ich ganz konzentriert arbeiten musste». Schließlich integrierte der studierte Musiker der Mannheimer Pop-Akademie exotische Instrumente wie Xylofon und Marimba in den Band-Sound, der ansonsten von düsteren Indie-Gitarren und dem zuckersüßen Hintergrundgesang von Groppers Schwester Verena geprägt ist.
Insgesamt hört man der Musik von Get Well Soon ihre britischen und amerikanischen Vorbilder diesmal weniger deutlich an als noch vor zwei Jahren - auch wenn der Sänger den Einfluss von Scott Walker nicht leugnet, der Ende der 60er Jahre vier epische Pop-Alben für die Ewigkeit einspielte. «Walker wurde ja oft als Vergleich zu mir genannt, ich kannte ihn erstmal gar nicht», gibt Gropper zu, fühlt sich aber inzwischen durchaus geehrt.
Ein großer Name aus viel weiter zurückliegenden Zeiten fällt, wenn der in Erolzheim bei Biberach (Baden-Württemberg) aufgewachsene Musiker über den inhaltlichen Überbau des neuen Albums spricht. Dessen Thema ist der Stoizismus, also die Lehre von der Seelenruhe, mit dem römischen Philosophen Seneca als geistigem Ursprung. Bei Recherchen hat Gropper dann auch andere «schwierige» Schriftsteller wie Homer oder Georg Büchner gelesen.
Hat er keine Sorge, von Pop-Kritikern als blasierter Schlaumeier abgetan zu werden? «Klar, die Gefahr besteht. Aber das soll doch keine Angeberei sein, das hat mich einfach interessiert», sagt der im Interview auffallend bescheidene, humorvolle junge Mann seufzend. «In jeder anderen Kunstform sind solche Bezüge normal, nur in der Popmusik soll man es immer ganz leicht halten.» Er will sich da auch in Zukunft nicht verbiegen lassen.
Apropos Zukunft: Da hat Konstantin Gropper nicht nur die Karriere mit Get Well Soon, sondern auch als Filmkomponist im Auge. Für Wim Wenders' Film «Palermo Shooting» hatte er bereits zwei Songs geschrieben, für Detlev Bucks neues Werk «Same Same But Different» steuerte er ebenfalls Musik bei, außerdem komponierte er den Soundtrack für eine Dokumentation. «Ich kann von meiner Musik leben», sagt Gropper anno 2010 zufrieden. Zumal «Vexations» dieser Tage gleichzeitig europaweit veröffentlicht wird - und er mit seiner glänzend eingespielten Live-Band ab Mitte Februar auf große Europa-Tournee gehen darf. Da wird heutzutage bekanntlich oft mehr Geld verdient als mit Plattenverkäufen.
(Tourdaten: 23.02. München, 25.02. Dresden, 26.02. Köln, 27.02. Haldern, 28.02. Hannover, 02.03. Frankfurt, 03.03. Leipzig, 04.03. Hamburg, 20.03. Mannheim, 27.03. Bremen)