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"Born in the GDR" "Born in the GDR": Sandow gehen auf "Best of"-Tour und bringen neues Album raus

Von Kai Agthe 09.11.2015, 10:49
Mit der Ironie von DDR-Geborenen: Kai-Uwe Kohlschmidt, Tilman Fürstenau, Chris Hinze, Tilman Berg (v.l.)
Mit der Ironie von DDR-Geborenen: Kai-Uwe Kohlschmidt, Tilman Fürstenau, Chris Hinze, Tilman Berg (v.l.) Sandow Lizenz

Halle (Saale) - „Born in the GDR“ ist der Hit von Sandow - und er wird es für alle Zeit bleiben. Es war ein Spottlied auf das „langweiligste Land der Welt“, wie der Schriftsteller Volker Braun die DDR nannte. Ein Land auch, in dem man das Gefühl hatte, „in einem Kreisverkehr zu leben“, wie Sandow-Sänger Kai-Uwe Kohlschmidt sagte. 1988 entstanden, wurde Sandows „Born in the GDR“ (Geboren in der DDR) zum ironisch-hymnischen Nachruf auf den untergehenden Staat.

Das mit einem parodierten Zitat von Kurt Hager – dem berüchtigten SED-Chefideologen – beginnende Lied war auch ein kreativer Reflex von Kohlschmidt auf das Konzert von Bruce Springsteen, das der „Boss“ im Juli 1988 in Ost-Berlin gab. Kohlschmidt, damals 20 Jahre alt, war einer von 160 000 offiziell gezählten Besuchern des von Katarina Witt moderierten Konzerts: „Ich hab’ 160.000 Menschen geseh’n, die sangen so schön: Born in the GDR“, heißt es im Stück, das auch daran erinnert, dass die DDR-Musikfans den Refrain von Springsteens Hit „Born in the USA“ als „Born in the GDR“ erwiderten.

Westpressung 1990

Auch wegen dieses Songs wurde das erste Sandow-Album „Stationen einer Sucht“, das 1989 fertig war, von Amiga auf Eis gelegt. Schmetterte Kohlschmidt in dem Stück auch: „Wir können bis an unsere Grenzen geh’n, hast du schon mal drüber hingeseh’n?“ Die Sandow-Fans nicht, jedenfalls nicht in Richtung Westen. Erst im Zuge der politischen Wende kam die LP in die DDR-Plattenläden, 1990 folgte dann eine Westpressung.

Das ist Geschichte. Aber Sandow und „Born in the GDR“ sind noch da. Ende November gibt das Quartett einige „Best of“-Konzerte im mitteldeutschen Raum. Die Formation wird auch ihren Hit im Gepäck haben. Ihren „absoluten Selbstläufer“ wollen die vier Musiker in einer „lässigen Version“ interpretieren, wie Kohlschmidt ankündigt.

Auf die Frage, wie er heute zu „Born in the GDR“ steht, entgegnet der Musiker: „Ich habe ein entspanntes Verhältnis zu dem Lied. Es ist ein treuer und fleißiger Gaul, der noch immer auf der Rennbahn ist.“ Und es wird - wie zu ergänzen wäre - von allen, die 1989 jung waren, noch immer geliebt. Daneben werden in Leipzig, Jena und Dresden auch Klassiker wie „Stille Invasion“, „Hei Hei“ und „Harmonie und Zerstörung“ zu hören sein.

„30 Jahre Harmonie und Zerstörung“ heißt auch eine offizielle Biografie, die Ronald R. Klein vorlegte. In dem Buch wird die Sandow-Geschichte nachgezeichnet, und in ausführlichen Interviews kommen die Akteure selbst zu Wort. Auf die MZ-Frage, wie es sich anfühlt, durch eine Biografie historisch eingeordnet zu werden, entgegnet Kohlschmidt: „Ich sehe es mit einer gewissen Genugtuung, dass wir eine Spur hinterlegt haben.“

Alles begann 1982 mit einer Faschingsgaudi im Cottbusser Stadtteil Sandow: Kai-Uwe Kohlschmidt und Chris Hinze, die damals leidlich Gitarre spielten, gingen als Musikband. Der Spaß ging nahtlos in Ernst über: Sandow waren geboren, wuchsen, nach verschiedenen anderen Instrumentalisten, mit dem Schlagzeuger Tilman Berg und dem Bassisten Tilmann Fürstenau zum Quartett und etablierten sich mit massivem Sound und unangepassten Texten bald in der DDR-Musikszene. Auf einem Amiga-Sampler konnten sie 1988 erstmals vier Stücke veröffentlichen, auch im DDR-Hörfunk wurden sie gespielt. Sandow war und ist aber immer eine ausgesprochene Live-Band. Konzerttouren heißen bei der Band, einem frühen Ausspruch Kohlschmidts folgend, noch heute „Herrentag auf Reisen“ und der bei solchen Gelegenheiten genossene Sekt „Kommunikationswein“.

„Entfernte Welten“ erscheint Anfang 2016

Auf den musste die Band lange verzichten. Nach acht Alben gaben Sandow 1999 ihre Auflösung bekannt. 2005 raufte man sich wieder zusammen, 2007 folgte mit „Kiong“ ein neues Album und im Jahr darauf eine Live-Doppel-DVD. 2012 erschien dann das Hörspiel „Im Feuer“, das die frühe Geschichte der Band erzählt und für den Deutschen Hörspielpreis nominiert wurde. Da es aber unmöglich ist, in der Vergangenheit zu leben, wie Kohlschmidt sagt, gilt das Augenmerk immer dem Heute und damit neuen künstlerischen Projekten: „Entfernte Welten“ lautet der Arbeitstitel für das neue Sandow-Album. In den ersten Monaten 2016 will die Band die neuen Stücke im Studio aufnehmen. Über die verrät der Sänger nur so viel: „Sie werden nichts Fremdes, sondern eine klare Sandow-Angelegenheit sein.“

Zur Band und zu den Tourdaten: www.sandow.de

Ronald R. Klein: Sandow – 30 Jahre Harmonie und Zerstörung, Verlag Andreas Reiffer, 179 S., 16,90 Euro