Anneliese Probst zum 75. Geburtstag Anneliese Probst zum 75. Geburtstag: Balance-Akte der alltäglichen Tapferkeit
Beesenstedt/MZ. - Mit dem Tod, sagt sie, hat sie sich früh beschäftigt. Es fing an, als ihr Bruder fiel. Das war 1941. Später hatte sie die Eltern bei sich, bis sie gestorben sind. Als Pfarrfrau sind Beerdigungen zu einem Teil ihres Lebens geworden. "So spielte der Tod immer eine Rolle", sagt Anneliese Probst. Mit welcher schlichten Leichtigkeit sie über die letzten Dinge des Lebens wie über ihren Schmerz reden kann, ist etwas sehr Besonderes. Wer in ihrem Buch "Das lange Gespräch" liest, geschrieben zur Hilfe für sich selbst nach dem Tod ihres Mannes Christof Seidler, wird diesen hellen Ton wiedererkennen: "Immer bin ich auf der Suche nach Dir, warte, daß Du wieder durch die Tür kommst und mich küßt, eine Balance am Abgrund, weil Du nicht mehr kommst."
Und das, mag sich nun jemand wundern, soll ein Geburtstagsartikel sein? Jawohl. Und zwar einer, der Anneliese Probst von Herzen zugeeignet ist. Auch, weil sie heute 75Jahre alt wird. Wo aber steht geschrieben, dass nur Karten mit grellbuntem Blumendekor für Grüße in Betracht kommen? Es ist ja wahrhaftig kein düsteres, sondern ein sehr lebendiges Gespräch gewesen, das wir in dem uralten Beesenstedter Bauernhaus miteinander geführt haben. Und der Tod gehört schließlich zum Leben - ganz egal, ob der Zeitgeist das nun wahrhaben will oder nicht. Hier endet seine Kompetenz.
Draußen täuscht die Sonne mutwillig Frühling vor, drinnen blinzeln die Katzen träge und mit einer Spur von Eifersucht. Ein paar Mal haben wir sogar herzhaft gelacht. Das bleibt nicht aus, wenn man mit dieser lebensklugen Frau spricht, die sich nicht die Mühe machen will, um die Dinge herum zu reden. Beschönigungen oder Arabesken sind ihre Sache nicht.
"Das lange Gespräch" ist für Anneliese Probst das wichtigste von ihren Büchern. 53 werden es demnächst sein, mit einer Gesamtauflage, die schon jetzt jenseits der anderthalb Millionen angelangt ist. Sie sagt das ganz unaufgeregt, aber ein bisschen Stolz klingt doch mit. Im Bücherschrank steht von jedem Buch ein Exemplar. Exakt, in Reih und Glied. Darauf, dass keines verschwindet, hat ihr Mann geachtet, die Kritik hat sie stets zuerst selber besorgt, auch jetzt: Nicht alle der frühen Arbeiten für Kinder lässt sie noch unbefragt gelten. Zu DDR-Zeiten gingen die Auflagen ihrer Bücher unter dem Ladentisch weg, 15000Exemplare in einer Woche. Zahlen, von denen heute viele Autoren nur träumen können, auch Anneliese Probst. Die Zeiten haben sich geändert, aber eine treue Gemeinde hat sie immer noch. Wenn sie zu Lesungen kommt, drängen sich die Gäste, jüngst erst schenkte ihr eine ältere Dame einen Blumenstrauß und fügte den überraschenden Spruch von "einem schönen Lebensende" hinzu. Zunächst, räumt Anneliese Probst ein, habe sie gestutzt, dann gelacht: "Denn etwas Besseres kann man einem Menschen nicht wünschen!"
Das ist einer dieser Momente, in dem die Autorin für einen Moment von unbezwinglicher Heiterkeit ist. Rasch gelingt es ihr, eine Situation auf den Punkt zu bringen - vielleicht ist dies eine Erfahrung aus den langen Jahren als guter Geist im Pfarrhaus. Sie hat die Familie und die Wirtschaft gemanagt, Frauenarbeit organisiert, an den Sonntagen die Orgel gespielt und zwischen den Liedern manchmal Kindersocken für Wohltätigkeits-Basare gestrickt. Zum Schreiben hielt ihr der Mann den Rücken frei. Und wenn sie hinaus ging mit ihren Büchern? Dann war sie eine, "die nicht in den Kram passte", geduldet, nicht gefördert. "Damit habe ich ganz gut gelebt", sagt Anneliese Probst trocken. Das heißt, man wusste, was man voneinander zu halten hatte. Hinzu kam noch das offizielle Etikett "christliche Autorin", was immer das bedeutet. Wenn es Lebensferne oder Frömmelei meint, passt es jedenfalls nicht auf diese Frau, die sich auch mit der Amtskirche angelegt hat: "Weil ich denen zu frech war".