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Anhaltische Gemäldegalerie Anhaltische Gemäldegalerie: Von Land und Leuten

Von christian eger 25.06.2012, 17:29

Dessau-Rosslau/MZ. - Ende des vergangenen Jahres schloss die Anhaltische Gemäldegalerie in Dessau ihre Türen. Das Schloss Georgium wird generalsaniert. Nicht wenige Stimmen bedauerten, dass damit die in dem Erdmannsdorff-Bau untergebrachte Kunstsammlung ausgerechnet im Festjahr "Anhalt 800" nicht zu erleben sein soll. Aber in der politischen Gemengelage sind überfällige Sanierungstermine nicht auch noch nach dem Kulturkalender zu takten; man muss beginnen, wenn es die Kassen erlauben. Am Ende, vielleicht schon nach zwei Jahren, wird die städtische Galerie in ausstellungstechnischer und - bald darauf - in rechtlicher Hinsicht eine andere sein; geprüft wird eine Zuordnung von Haus und Kollektion zur Kulturstiftung Dessau-Wörlitz, in welcher Eigentumsform auch immer.

Trotzdem lässt das kleine Team um Galeriedirektor Norbert Michels das Jubeljahr nicht einfach vorüberziehen. Seit Sonnabend ist in der Orangerie des Schlosses die Ausstellung "Gesichter Anhalts" zu sehen, eine Schau, die "Menschen und Landschaften Anhalts im Spiegel der Kunst" präsentiert vom 18. bis ins 20. Jahrhundert. Einige Galerie-Klassiker sind darunter, aber eben auch viele zuvor nicht öffentlich gezeigte Werke. Das Vertraute neben dem Verborgenen, das für diese Ausstellung restauriert und gerahmt wurde.

Das Antlitz Anhalts, das sind in dieser Ausstellung die Gesichter der fürstlichen und herzoglichen Herrschaften, der Künstler und Bürger. Aber auch Natur- und Städtebilder sind zu sehen, sozusagen das Gesicht der Landschaft zwischen Vorharz und Fläming. Allen Bildern voran das Großgemälde "Schloss und Stadt Bernburg", 1864 gefertigt von dem Bernburger Hofmaler Raphael Carl Reinhard.

Über dem buschigen Grün der Saaleufer leuchtet die Burganlage wie gewaschen im Gewitterlicht. Teilbewölkt die Sonne, der Regen im Vorüberziehen. Ein Bild des Abschieds und Aufbruchs: 1863 war die Bernburger Linie des Hauses Anhalt ausgestorben; der Burgberg mithin keine Residenz mehr. Das Herzogtum fiel den Dessauern zu, die Anhalt bis 1918 regierten. Der Tatsache, dass die Anhaltische Gemäldegalerie 1927 aus Dessauer Sammlungen entstand, ist der Umstand geschuldet, dass es in der Schau doch sehr "dessauert", wie die Kunstwissenschaftlerin Margit Schermuck-Ziesché in ihrem Eröffnungsvortrag bemerkte.

Aber wo "gedessauert" wird, wird auch "anhaltinert". So ist der 1856 in der Neumark geborene und 1933 in Dessau gestorbene Maler Paul Riess doch vor allem ein anhaltischer Landschafter. Ein von Heinrich Plühr gemaltes Bild, das Riess im Alter von 32 Jahren zeigt, gehört zu den überraschenden Depot-Funden dieser Schau. Genauso wie ein vom Riess-Bruder Franz (1848-1928) gefertigtes Porträt des 1904 gestorbenen Dessauer Herzogs Friedrich I., das kein Kunstwerk, aber doch ein Kulturzeugnis ist: der Herzog mit düsterem Kaiser-Friedrich-Vollbart.

Kunstwerke von Rang, das sind: Tischbeins Anfang der 1770er Jahre gemaltes Bildnis der Dessauer Erbprinzessin Christiane Amalie mit ihren drei Kindern; die nachromantische "Eichenlandschaft" des 1879 in Dessau gestorbenen Malers Georg Höhn, eines Schülers des Landschafters Carl Blechen; die um 1890 entstandenen Stadt- und Schlossansichten von Albert Schwendy. Eine Entdeckung sind die vier von dem Berliner Impressionisten Franz Skarbina um 1880 in Öl gefertigten Personen-Skizzen für ein Großgemälde, die unter anderen den Generaldirektor der Deutschen Continental-Gas-Gesellschaft Justus Wilhelm Oechelhäuser und den Dessauer Oberbürgermeister Franz Medicus zeigen.

Malerisch reizvoll und historisch sprechend sind die Arbeiten von Künstlern wie Heinz Schmidt-Rom, der wie Schwendy einmal eine eigene kleine Schau wert wäre, von Paul Jünemann, Carl Marx, Heinz Szillat und Erhard Vogel. Letzterer als Maler ein Autodidakt, dessen Bild "Die Gedanken sind frei" (1984) die Umweltzerstörung zur DDR-Spätzeit allegorisch inszeniert. Zwei Neuerwerbungen der Galerie können präsentiert werden: eine "Ansicht von Tricastagne mit Blick auf den Ätna" von dem Gröbziger Maler Johann Wilhelm Walkhoff (1789-1822) und ein Porträt des Großvaters des Künstlers, des Pfarrers Johann Friedrich Walkhoff (1751-1839), mutmaßlich gemalt von Friedrich Olivier; finanziert von engagierten Spendern.

Die wollen das Ätna-Bild gern in der Dauerausstellung sehen. Doch wie steht es um die Zukunft der Galerie? "Das Kultusministerium ist beauftragt, dem Kabinett bis zum Jahresende einen Vorschlag zur Anhaltischen Gemäldegalerie vorzulegen", teilte das Ministerium am Montag auf Anfrage mit. "Dieser Kabinettsauftrag ist für uns verbindlich. Danach soll es entweder eine Übernahme durch die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz geben oder einen Kooperationsvertrag." Mit welcher inhaltlichen Maßgabe man in die Verhandlungen geht? "Generell begrüßt das Land den Vorschlag der Stadt", heißt es aus Magdeburg. "Die Übernahme durch die Stiftung wäre gut und fachlich sinnvoll, jedoch mit erheblichen Mehrkosten für das Land verbunden. Aus diesem Grund ist noch keine abschließende Lösung gefunden worden. Hier gibt es auch weiteren Gesprächsbedarf mit dem Bund im Blick auf die Stiftungsreform." Was wohl heißt: Vor einer Neuordnung der Stiftungsfinanzen ist mit einer Angliederung der Gemäldegalerie nicht zu rechnen.

Bis 16. September 2012. Di-So von 10-17 Uhr. Ein reiches Vortragsprogramm begleitet die Ausstellung.