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60 Jahre «Der Spiegel» 60 Jahre «Der Spiegel»: Aufklärung ohne Rücksicht auf Verluste

Von Almut Kipp 03.01.2007, 09:51
Rudolf Augstein (1923 bis 2002), Herausgeber des Hamburger Nachrichtenmagazins «Der Spiegel», im Jahr 1993 (Foto: dpa)
Rudolf Augstein (1923 bis 2002), Herausgeber des Hamburger Nachrichtenmagazins «Der Spiegel», im Jahr 1993 (Foto: dpa) dpa

Hamburg/dpa.« - Der Gründer und Herausgeber Rudolf Augstein (1923-2002) etablierte mit dem «Spiegel» den investigativen Journalismus in Deutschland. Die Redaktion deckte zahlreiche Affären der deutschen Nachkriegsgeschichte auf. «Ohne Rücksicht auf Verluste aufklären», war Augsteins Devise.

Vorläufer des «Spiegel» war «Diese Woche». Das Magazin wurde 1946 von der britischen Militärregierung in Hannover gegründet. Doch der Ton des Blattes missfiel den Regierenden in London, nach nur fünf Ausgaben entledigten sich die Besatzer des Titels und übertrugen dem Redakteur Augstein die Lizenz. Augstein - damals 23 Jahre jung - veröffentlichte am 4. Januar 1947 erstmals sein Magazin unter dem Namen «Der Spiegel».Seit 1952 kommt das Blatt aus Hamburg.

Zehn Jahre später schreibt das Magazin Pressegeschichte. Esberichtet über das Verteidigungskonzept der NATO und kommt zu demSchluss, die Bundeswehr sei im Falle eines sowjetischen Angriffs nur«bedingt abwehrbereit». Die Bundesregierung sieht darin «einen Abgrundvon Landesverrat» (Bundeskanzler Konrad Adenauer). Die Redaktion wirddurchsucht, verantwortliche Redakteure und Herausgeber Augstein werdenverhaftet. Er bleibt drei Monate in Untersuchungshaft. DieÖffentlichkeit empört sich über den Eingriff des Staates in diePressefreiheit, Verteidigungsminister Franz Josef Strauß (CSU) musszurücktreten. Das strafrechtliche Verfahren gegen das Magazin wirdspäter aus Mangel an Beweisen eingestellt.

In den achtziger Jahren machte der «Spiegel» mit einer Reihe vonaufgedeckten Polit-Skandalen von sich reden. Dazu gehörten dieMachenschaften beim gewerkschaftlichen Baukonzern Neue Heimat, dieFlick-Parteispenden-Affäre und die Barschel-Pfeiffer-Affäre (1987) umden damaligen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel(CDU) und seinen politischen Gegner Björn Engholm (SPD). Augstein sahsein Blatt als «Sturmgeschütz der Demokratie». Der streitbareIntellektuelle schrieb in den 50er und 60er Jahren unter dem PseudonymJens Daniel bissige Kommentare zu Deutschland.

Über Jahrzehnte hatte «Der Spiegel» eine Monopolstellung inDeutschland, bis er 1993 mit dem Magazin «Focus» aus dem Burda-VerlagKonkurrenz bekam. Augstein blieb gelassen: «"Focus" ist ein Ding fürsich. Davon können wir nichts lernen.» Vielmehr vertraute er auf einenneuen Chefredakteur, den Augstein - zunächst gegen den Widerstand derRedaktion - Ende 1994 durchsetzte.

Stefan Aust steht seitdem an der Spitze des Magazins und hat einenVertrag bis Ende 2008, der noch verlängert werden kann. In derGeschäftsführung des Verlags hat sich zu Jahresbeginn ein Wechselvollzogen. Mario Frank, der frühere Geschäftsführer des Dresdner Druck-und Verlagshauses («Sächsische Zeitung»), hat die Aufgaben von KarlDietrich Seikel übernommen. «Spiegel»-Gesellschafter Jakob Augsteinerwartet von Frank «einen anderen verlegerischen Kurs». Der Verlag habezuletzt viele Chancen ungenutzt gelassen, sagte er der «FrankfurterAllgemeinen Zeitung».

Spiegel-Gesellschafter sind die Verlagsmitarbeiter (50,5 Prozent),die Erben des Verlagsgründers Rudolf Augstein (24 Prozent) sowie derHamburger Verlag Gruner + Jahr (25,5 Prozent). Die Auflage des«Spiegel» liegt durchschnittlich bei über einer Million Exemplare proAusgabe.