VW-Abgasskandal VW-Abgasskandal: BUND fordert Verkaufsstopp von Dieselautos

Berlin - Wir erläutern, was Behörden und Politik bei der Aufarbeitung des Dieselskandals bislang versäumt hat.
Warum soll der Verkauf von Diesel-Pkw gestoppt werden?
Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) hat in einem Schreiben an das KBA schlicht und einfach den Verkaufsstopp von Autos gefordert, die im Realbetrieb die gesetzlichen Schadstoffgrenzwerte der derzeit gültigen Euro-6-Norm nicht einhalten – eigentlich eine Selbstverständlichkeit. Das Verbot soll zunächst nur für 26 Modelle gelten.
Um welche Fahrzeuge handelt es sich dabei?
Das KBA hat schon vor einem Jahr im Zuge des VW-Abgasskandals bei mehr als 50 Diesel-Pkw nachgemessen, wie hoch die Stickoxidemissionen im Alltagsbetrieb sind. Dabei kam heraus, dass unter anderem die 26 Modelle, alles Autos der neuesten Generation, die Grenzwerte massiv überschreiten.
Welche Autobauer sind betroffen?
Alle namhaften. Angefangen bei Audi über BMW, Ford, Mercedes, Opel, bis zu VW. Den Vogel hat indes ein Renault Kadjar abgeschossen, bei dem das KBA 1164 Milligramm NOX gemessen hat. Erlaubt sind nach der Euro-6-Norm aber nur 80 Milligramm. Umweltschützer gehen aber davon aus, dass weit mehr Fahrzeuge als die 26 betroffen sind. Der Verkauf der Autos dürfe erst dann wieder aufgenommen werden, wenn die Einhaltung der Grenzwerte im realen Fahrbetrieb nachgewiesen und sichergestellt sei, so BUND-Chef Hubert Weiger.
Worauf stützt sich die Forderung der Umweltschützer?
Sie stützt sich auf eine Verordnung der EU, die vorschreibt, dass Behörden die Zulassung und den Verkauf von Fahrzeugen untersagen müssen, die den Abgasvorschriften nicht entsprechen. Damit sollen Autokäufer davor geschützt werden, dass sie Fahrzeuge erwerben, die den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechen.
Warum haben weder das KBA noch das Verkehrsministerium bislang etwas unternommen?
Das fragen sich viele Umweltschützer. „Verkehrsminister Dobrindt hätte längst handeln müssen“, sagt Weiger. „Kommt das KBA seiner Handlungspflicht nicht nach, bedeutet das die faktische Legalisierung rechtswidriger Grenzwertüberschreitungen über die kommenden Jahrzehnte hinweg zu Lasten von Umwelt und menschlicher Gesundheit“, betont Cornelia Ziehm, Anwältin des BUND.
Wie reagieren Behörden und Ministerium auf die Vorwürfe?
Bislang wurde darauf verwiesen, dass man mit Autobauern auf freiwilliger Basis Rückrufaktionen vereinbart habe. Dabei hat das Ministerium immer wieder darauf hingewiesen, dass die Fahrzeuge bei den offiziellen Abgasprüfungen auf Prüfständen für die Zulassung der jeweiligen Modelle die geltenden Grenzwerte eingehalten haben. Mehrere Autobauer haben inzwischen aber zugegeben, dass die Fahrzeuge im Realbetrieb erheblich mehr NOX ausstoßen. Die geschehe, weil die Abgasreinigung zum Schutz des Motors zeitweise deaktiviert werde. Genau dies sei auch nach der EU-Norm erlaubt.
Ist die Argumentation der Autobauer stimmig?
Darüber wird seit Monaten gestritten. Umweltschützer stützen ihre Gegenposition dabei auch auf den wissenschaftlichen Dienst des Bundestages. Der geht davon aus, dass die EU-Vorgaben, Abschaltungen zum Motorschutz nur für ganz kurze Zeiträume meinen. Bei vielen getesteten Autos ist die Abgasreinigung aber zum überwiegenden Teil der Betriebszeit deaktiviert. Das sei illegal. Der BUND macht überdies darauf aufmerksam, dass laut Verordnung der Maßstab für Grenzwertüberschreitungen generell der reale Fahrbetrieb und nicht der Test im Prüfstand ist.
Was ist der Grund für die Untätigkeit der Politik?
Die Autobauer und auch Gewerkschafter warnen hinter vorgehaltener Hand, dass gigantische finanzielle Belastungen auf die Branche zukommen würden, wenn die Werte des Alltagsbetriebs strikt eingehalten werden. Autos müssten mit aufwendigeren Abgasreinigungssystemen ausgestattet werden. Es kursiert sogar die Vermutung, dass Autobauer bei Klein- und Kompaktwagen aus der Dieseltechnik aussteigen. Was Jobs kosten könnte. Die KBA-Tests haben gleichwohl ergeben, dass die Einhaltung der Werte möglich ist. Ausgerechnet drei Fahrzeuge aus dem Volkswagenkonzern emittierten deutlich weniger als die 80 Milligramm.
Wie geht es mit dem BUND-Antrag juristisch weiter?
Mit großer Wahrscheinlichkeit wird das KBA den Antrag ablehnen. Der BUND will dann weitere rechtliche Schritte prüfen. Es würde auf eine Klage gegen das KBA vor dem Verwaltungsgericht hinauslaufen. Letztendlich könnte das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht landen. Ähnliche Klagen wurden bereits von der Deutschen Umwelthilfe eingereicht. Klar ist also, dass Richter klären, ob es Verkaufsverbote für Dieselautos geben wird.