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Umbau beim Ferienflieger Tuifly: Flugausfälle und Verspätungen - Streit um Ferienflieger eskaliert

Von Frank-Thomas Wenzel 05.10.2016, 16:55
Eine Boeing 737-800 von Tuifly. Symbolbild.
Eine Boeing 737-800 von Tuifly. Symbolbild. dpa

Frankfurt/Main - Beim Ferienflieger Tuifly eskaliert der Streit um den Umbau des Unternehmens. Auch am Mittwoch meldeten sich Piloten und Flugbegleiter kurzfristig krank. Die Airline des Touristikkonzerns musste 24 von 99 Flügen annullieren. Das Unternehmen sprach von Crew-Engpässen. Aus diesem Grund mussten auch bei Air Berlin 32 Verbindungen gestrichen werden – 14 Tuifly-Maschinen sind nebst Besatzung derzeit für Air Berlin im Einsatz.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Krankmeldungen eine ganz spezielle Form von Protest sind. Hintergrund sind Pläne, den Ferienflieger mit einem Teil der Fluglinie aus der Hauptstadt in einer neuen Holding zu verschmelzen. Die Beschäftigten befürchten Stellenstreichungen und Gehaltseinbußen.

Neue Airline soll nach Deutschland, Österreich und die Schweiz fliegen

Seit dem vergangenen Wochenende kommt es beim Luftfahrtableger des Reisekonzerns zu Flugausfällen und Verspätungen, weil es an Personal fehlt. „Die massiven kurzfristigen Krankmeldungen der Kabinen- und Cockpitmitarbeiter schaden Kunden und Mitarbeitern in hohem Maße“, heißt es einer Erklärung des Unternehmens. Betriebsratschefin Karin Grobecker sprach derweil von großer Verunsicherung unter den Mitarbeitern.

Ende nächster Woche soll es bei einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung nähere Informationen über die geplante Umstrukturierung geben.

Derweil bestätigten am Mittwoch Tuifly und der Air-Berlin-Großaktionär Etihad, was längst klar ist: Man befinde „sich in Gesprächen zur Gründung eines neuen europäischen Airline- Verbundes, der sich auf den Punkt-zu-Punkt-Verkehr zu wichtigen touristischen Märkten fokussiert“. Der neue Airline-Verbund solle von Deutschland, Österreich und der Schweiz aus „ein umfassendes Streckennetz“ bedienen. Mit Details geizen die Manager, und das macht Beschäftige und Gewerkschafter nervös.

Verschmelzung könnte Arbeitsplätze kosten

Klar ist für Branchenkenner indes: Es soll eine Holding gegründet werden. Unter deren Dach soll einerseits Tuifly mit seinen 41 Flugzeugen künftig operieren – dazu gehören auch die 14 Jets, die derzeit für Air Berlin unterwegs sind. Weitere 17 Flugzeuge der österreichischen Air-Berlin-Tochter Fly-Niki könnten hinzukommen. Letzteres macht die Angelegenheit so brisant. Die Verschmelzung könnte einerseits zu Stellenstreichungen bei beiden Unternehmen führen.

Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi befürchtet aber auch, dass Tuifly bei Niki eingegliedert werden könnte. Es drohe nun Lohndumping, sagte Christine Behle vom Verdi- Bundesvorstand. Denn bei Niki lägen die Löhne um 20 Prozent niedriger als bei Tuifly. Behle spricht von einer zutiefst verunsicherten Belegschaft. Arbeitnehmervertreter seien bei der geplanten Allianz im Vorfeld auf keinerlei Weise eingebunden worden. Deshalb melden sich jetzt so viele Beschäftigte krank.

In dem Unternehmen arbeiten insgesamt 2400 Frauen und Männer. Die Tuifly-Geschäftsleitung hat indes in einem internen Schreiben versichert, dass „Gerüchte über die Verlagerung des Sitzes der Gesellschaft“ falsch seien. Tuifly werde weiter als deutsches Unternehmen von Hannover aus operieren und auch in einem neuen Verbund als Gesellschaft erhalten bleiben. Bestehende Tarifverträge blieben unberührt.

Gehaltskürzungen gut möglich

Allerdings steckt hier der Teufel im Detail. Vieles spricht dafür, dass eine Dachgesellschaft geplant ist, in der Etihad das Sagen hat. Die Airline aus Abu Dhabi ist mit 29 Prozent an Air Berlin beteiligt und hat das schwer angeschlagene Unternehmen mehrfach mit Geldspritzen gerettet. Mit der neuen Kooperation wollen die Etihad-Manager den touristischen Flugbetrieb von Air Berlin endlich wieder profitabel machen. Dabei soll der Reiseriese Tui helfen, die Maschinen voll zu machen. Kostensenkungen sollen hinzukommen.

Gut möglich ist also, dass unter dem Holdingdach zumindest ein Teil der Flugzeuge unter österreichischen Konditionen fliegt - mit einem Fünftel weniger Gehalt für die Crews. Experten vermuten, dass es schlicht darauf hinauslaufen könnte, sukzessive immer mehr Flüge von Niki abwickeln zu lassen. Tuifly könnte so langsam aber sicher ausgetrocknet werden. Das Tuifly-Management teilt jedenfalls mit, dass Entscheidungen noch nicht getroffen seien, zunächst würden „zeitnah intensive Gespräche mit Arbeitnehmervertretern“ geführt.

Der Tuifly-Deal ist der zweite Teil des Radikalumbaus von Air Berlin. Das Unternehmen will außerdem 40 Maschinen inklusive Besatzungen für sechs Jahre an die Lufthansa vermieten, die 35 bei der Billigtochter Eurowings einsetzen will. Unterm Strich wird damit die Kapazität von Air Berlin auf gut 70 Maschinen etwa halbiert. Vorstandschef Stefan Pichler will 1200 Stellen streichen und den Flugbetrieb auf die beiden Drehkreuze in Berlin und in Düsseldorf konzentrieren.

Easyjet und Ryanair geben weiter den Takt vor

Hintergrund ist der harte Wettbewerb in der Luftfahrtbranche. Taktgeber sind Easyjet und Ryanair, die mit immer neuen Billigangeboten die Konkurrenten unter Druck setzen. In puncto Effizienz sind die beiden Marktführer kaum einholbar, auch weil sie große Flotten betreiben und mit viel Geschick ihre Flugpläne immer weiter optimieren. Die Expansion der beiden Beförderungsdiscounter zielt inzwischen zunehmend auf die großen Flughäfen.

Das bekommen die Lufthansa und Air Berlin immer stärker zu spüren. Zumal es in Europa ein Überangebot an Flugkapazitäten gibt - mit unter anderem etwa anderthalb Dutzend Billig-Airlines. Experten rechnen angesichts eines mehr oder weniger gesättigten Marktes damit, dass eine Reihe von Anbietern in die Knie gehen wird.