Studie zu modernen Diesel-Pkw Studie zu modernen Diesel-Pkw: Warum sind Stickoxide so gefährlich?

Jahrzehntelang galten Diesel-Autos als verhältnismäßig umweltfreundlich, spätestens seit dem Skandal um manipulierte Abgasmessungen bei Volkswagen und anderen Konzernen ist diese Erzählung jedoch als Märchen entlarvt. In einer neuen Studie haben Forscher jetzt Erstaunliches zutage gefördert: Selbst modernste Diesel-Pkw blasen häufig deutlich größere Mengen giftiger Stickoxide in die Luft als moderne Busse oder Lastkraftwagen. Ein Überblick.
Um was für eine Studie handelt es sich?
Der Forscherverbund ICCT, der bereits maßgeblich an der Enthüllung des VW-Skandals beteiligt war, hat sich angeschaut, welche Methoden zur Abgasmessung in Europa bei der Zulassung neuer Kraftfahrzeuge angewendet werden und welche Konsequenzen dies hat. Bei Pkw waren bisher Labortests vorgeschrieben, das soll sich erst ab dem Herbst nach und nach ändern. Dann sollen die Abgaswerte verstärkt unter realen Bedingungen auf der Straße gemessen werden. Die Fachleute reden RDE-Tests („Real Driving Emissions“). Bei Lkw sind solche Tests schon seit geraumer Zeit Pflicht. Volkswagen nutzte die Labortests zum Betrug aus: Der Konzern hatte weltweit Millionen Fahrzeuge mit elektronischen Einrichtungen ausgestattet, die erkennen, wann das Auto auf dem Rollenprüfstand steht. Nur dann wurde ein System zur Abgasreinigung zugeschaltet.
Wie sagt die Studie über die Abgas-Emissionen?
Die Experten konzentrieren sich auf den Ausstoß von Stickoxiden (Nox). Laut ICCT stoßen untersuchte Diesel-Pkw, die die jüngste Abgasnorm Euro 6 erfüllen, im Schnitt 480-560 Milligramm Stickoxide pro Kilometer aus. Zulässig wären eigentlich nur 80 Gramm. Moderne Busse und Lkw (Euro VI) kommen hingegen im Schnitt auf einen Ausstoß von 210 Milligramm pro Kilometer. Sie lagen damit sogar noch unterhalb der zulässigen Menge für diese Fahrzeuggruppen. „Im Durchschnitt sind die Nox-Emissionen von Diesel-Pkw pro Kilometer mehr als doppelt so hoch wie die von Diesel-Lkw. Und das, obwohl die CO2-Emissionen – die abhängig vom Kraftstoffverbrauch sind – bei Schwerlast-Fahrzeugen fünf Mal höher sind als bei Personenwagen“, schreiben die Fachleute.
Warum sind Stickoxide so gefährlich?
Die Gase greifen die Atemwege an. In etlichen Ballungsräumen liegt die Nox-Belastung weit oberhalb der Grenzwerte, europaweit werden pro Jahr mehrere zehntausend vorzeitige Todesfälle darauf zurückgeführt. Dieselmotoren stoßen besonders große Mengen von Stickoxiden aus. Das Thema Stickoxide ist anders gelagert als das Thema Kohlendioxid (CO2), bei dem es um die klimaschädliche Wirkung geht. Neben Stickoxiden emittieren Diesel-Motoren auch Rußpartikel, die zusammen mit anderen Teilchen den krebserregenden Feinstaub bilden. Auch hier ist die die Belastung in deutschen Ballungsräumen häufig zu hoch. Weil Deutschland seine Bürger unzureichend gegen Stickoxide und Feinstaub schützt, ist es ins Visier der EU-Kommission geraten.
Warum fahren eigentlich so viele Menschen Diesel-Pkw, wenn diese doch so umweltschädlich sind?
Hauptgrund ist das Steuerprivileg für Diesel. Der Kraftstoff ist in vielen Ländern Europas aufgrund einer geringeren Besteuerung deutlich preiswerter als Superbenzin. Das wiegt oft auch höhere Anschaffungskosten und Kfz-Steuern auf. Ursprünglich war das Steuerprivileg als Hilfe für den gewerblichen Verkehr gedacht. In Deutschland war zuletzt etwa jeder zweite neu zugelassene Wagen ein Diesel. In Frankreich kamen die Selbstzünder bei den Neuzulassungen im vorvergangenen Jahr auf einen Anteil von fast 60 Prozent. In anderen Weltregionen hingegen sind Diesel-Pkw deutlich weniger verbreitet. Dort ist Diesel der Kraftstoff für Lkw und Busse, aber nur in Ausnahmefällen für Personenwagen. „In Europa werden mehr Dieselfahrzeuge verkauft als in China, Indien, Nord- und Südamerika zusammen. Allein 2014 waren es mehr als 8.8 Millionen – mehr als doppelt so viel wie im zweitgrößten Markt China“, schreiben die ICCT-Experten in ihrer Untersuchung.