Haushalt Schulden: Die Wirtschaft boomt, doch die Großstädte ertrinken in Schulden

Berlin - Glänzende Aussichten für die staatlichen Haushalte. In Deutschland schwimmen selbst die Kommunen im Geld. Dieser Befund ist nicht falsch, gibt aber die nur die halbe Wahrheit wieder. Denn obwohl die Steuereinnahmen auch der Städte und Gemeinden republikweit rasant steigen, kommt eine relevante Gruppe aus der Krise nicht heraus. Dies sind ausgerechnet die Großstädte, deren Gesamtschulden nach einer Auswertung der Unternehmensberatung Ernst & Young im vergangenen Jahr um eine Milliarde Euro auf den Rekordwert von 82,4 Milliarden Euro zulegten.
Ausgerechnet, einmal weil die Metropolen bekanntlich florieren, junge Leute, qualifizierte Arbeitskräfte und Investoren anlocken. Und weil 2016 die deutsche Wirtschaft erneut boomte. Diese ungewöhnlich günstige Ausgangslage nützte vielen Großstädten vor allem im Westen wenig. In Gesamtdeutschland konnten lediglich 43 Prozent ihre Verbindlichkeiten reduzieren. Die Mehrheit stockte ihren Schuldenberg auf. Im Westen gilt dies für beinah zwei Drittel. In den neuen Bundesländern tilgten dagegen sieben der neun Großstädte.
Rheinland-Pfalz und NRW mit höchsten Defiziten
Am stärksten ist der Negativtrend in Niedersachsen. Doch in absoluten Zahlen gerechnet weisen die rheinland-pfälzischen Cities die mit Abstand höchsten Defizite pro Einwohner aus. Da ist es nur ein kleiner Trost, dass in dieser Region 2016 ein kleiner Abbau gelang.
Den zweiten Platz von hinten belegt Nordrhein-Westfalen, wo die Pro-Kopf-Verschuldung in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen ist. Schon die alte rot-grüne Landesregierung hatte eine Trendwende versprochen. Nun peilt sie die schwarz-gelbe Koalition an. Die tiefsten Löcher weist Oberhausen auf, gefolgt von Mülheim an der Ruhr, Saarbrücken, Hagen, Ludwigshafen, Offenbach, Trier, Duisburg, Remscheid und Moers.
Am besten stehen Braunschweig, Wolfsburg, Jena, Dresden, Düsseldorf, Stuttgart, Reutlingen, Paderborn, Oldenburg und Erfurt dar. Im Osten profitieren die Kämmerer außer von einer relativ günstigen wirtschaftlichen Entwicklung von den Zuweisungen aus dem Solidarpakt. Außerdem drücken weniger Altschulden als im Westen, wo die am stärksten betroffenen Kommunen zudem zumeist unter einem Strukturwandel leiden.
Gräben zwischen Metropolen vertiefen sich
In der Folge geht der Konjunkturaufschwung an ihnen vorbei. Ernüchternd ist, wie wenig die politischen Bemühungen um mehr Unterstützung für diese Rathäuser gebracht haben. Zwar gibt es in mehreren Bundesländern unter Auflagen Landeshilfen für besonders hoch verschuldete Städte. „Die Erfolge solcher kommunalen Schutzschirme sind aber bislang begrenzt“, stellt Ernst&Young-Experte Bernhard Lorentz fest. „In Summe steigen Schulden weiter.“
In einigen Fällen haben die Kommunen auch über ihre Verhältnisse gelebt. In Nordrhein-Westfalen mussten mehrere Städte darüber hinaus verkraften, dass die Dividenden der Energieversorger wie RWE oder Eon wegbrachen. Hauptgrund für die Misere aber ist der Anstieg der Sozialausgaben, die 2016 um ein Zehntel auf 59 Milliarden kletterten. Und so zeigt sich, dass die Bundesrepublik nicht nur mit Blick auf die wachsende Spaltung zwischen Arm und Reich ein Verteilungsproblem hat. Auch die Gräben zwischen den Regionen, zwischen pulsierenden und tristen Metropolen werden immer tiefer.