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Lokführer-Streik Lokführer-Streik: Weselsky nennt Vermittlervorschlag der Bahn PR-Gag

Von Peter Berger 06.05.2015, 09:37
GDL-Chef Weselsky bei der Kundgebung vor dem Kölner Hauptbahnhof
GDL-Chef Weselsky bei der Kundgebung vor dem Kölner Hauptbahnhof Arton Krasniqi Lizenz

Köln - Eines muss man Claus Weselsky lassen. Seine Gewerkschaft hat er im Griff. Wie ein Popstar wird der GDL-Chef zu Andreas Bouranis Weltmeister-Song „Ein Hoch auf uns“ gefeiert, als er am Mittwochmittag durch die Reihen der streikenden Lokführer und Zugbegleiter vor dem Kölner Hauptbahnhof schreitet.

Auf den 87-jährigen Rentner, der den Besuch bei seinem „schwer kranken Jugendfreund“ in Langenfeld verschieben muss, weil die S-Bahn nicht fährt, trifft er nicht mehr. Der ist schon vorher gegangen, „weil mir die Galle hochkommt, wenn ich den Kerl so schon sehe“. Er könne einfach nicht begreifen, „warum die GDL nicht endlich das Angebot der Bahn annehmen. 4,7 Prozent plus eine Einmal-Zahlung von 1000 Euro. Was wollen die denn noch?“

„Wir sind bis Sonntag früh, neun Uhr, alle gemeinsam im Arbeitskampf“

Der GDL-Boss könnte ihm das erklären, schließlich macht er seit Tagen nichts anderes. Doch bevor er das tut, muss Weselsky erst einmal dafür sorgen, dass der „von RTL Explosiv bestellte einsame Buhrufer hier vom Platz verschwindet“ und Bahnchef Rüdiger Grube im fernen Berlin begreift, was die GDL von seinem Angebot hält, den SPD-Politiker Matthias Platzeck als Vermittler einzuschalten: „Niemand sollte davon ausgehen, dass wir zum jetzigen Zeitpunkt aufgrund eines PR-Gags des Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn AG die Streikaktion beenden. Wir sind bis Sonntag früh, neun Uhr, alle gemeinsam im Arbeitskampf.“ Sobald der Brief mit dem Vermittlungsvorschlag eintreffe, werde man das Angebot bewerten. „Wir werden uns Zeit dabei lassen.“ Einen Bahnvorstand, der die Lokführer und das Zugpersonal als „Geiselnehmer und terroristische Arbeitnehmer bezeichnet, findet man in keinem anderen Verkehrsunternehmen“, ruft Weselsky den Streikenden zu.

Aber was will die GDL denn eigentlich? Der Rentner ist längst gegangen, als Weselsky auf den Kern des seit elf Monaten andauernden Tarifstreits zu sprechen kommt, bei dem auch nach 16 Verhandlungsrunden und acht Streiks immer noch kein Ergebnis zustande gekommen ist. „Wir streiken nicht gegen das Tarifeinheitsgesetz. Wir streiken für bessere Arbeitsbedingungen, eine Wertschätzung unserer Arbeit, das Ende von Überstunden und gegen ein maßlos ignorante Personalpolitik.“

Für junge Lokführer wie Marc Averbeck (20), der erst vor einem Jahr seine Ausbildung als Eisenbahner im Betriebsdienst abgeschlossen hat und seither für die DB Regio im Rheinland unterwegs ist, hat diese Botschaft besondere Bedeutung. „Sorry, das nervt! Die Rote Karte für die liebe DB“ steht auf seinem Plakat. Averbeck könnte einer der Leidtragenden sein, wenn die Bahn im NRW-Regionalverkehr weiter Marktanteile verliert. Den Großauftrag zum Betrieb des Rhein-Ruhr-Express (RRX) ab Dezember 2018 hat sie nach eigenen Angaben schon verloren, obwohl die offizielle Entscheidung noch gar nicht gefallen ist. Damit würde ihr Marktanteil im Regionalverkehr in NRW auf gut 40 Prozent sinken.

„Habt keine Angst vor National Express“

Weselsky muss davon auch schon etwas mitbekommen haben, würde er sonst ausgerechnet in Köln ein britisches Eisenbahnunternehmen, das sich auch um den RRX beworben hat, öffentlich lobe? „Habt keine Angst vor National Express“, sagt Weselsky. Die GDL habe sich nie gegen Wettbewerb gestellt, sondern dafür gesorgt, dass der Wechsel des Personals von einem Bahnunternehmen zu einem anderen unter Wahrung einmal ausgehandelter Tarife geschehe.

National Express habe in NRW Verkehre gewonnen und gerade den Bundesrahmen-Lokomotivführervertrag unterschrieben. „Das sind keine Lohndumper, sondern vernünftige Unternehmer.“ National Express sei auf die GDL zugekommen, um einen Tarifvertrag abzuschließen, „weil sie die Arbeit von Lokführern und Zugbegleitern wertschätzen“. Damit dürfte klar sein, wer den Wettbewerb um den RRX gewonnen hat, bei dem es um 15 Millionen Kilometer pro Jahr über 30 Jahre geht. Die DB spiele mit der Angst um Arbeitsplätze, ruft der GDL-Chef. Die Lokführer nehmen ihm das ab. Der Beifall will nicht enden.

Der GDL-Chef spricht zu den Streikenden und Medienvertretern.
Der GDL-Chef spricht zu den Streikenden und Medienvertretern.
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